Tiefstapeln ist keine Tugend
Tiefstapeln ist keine Tugend
DHL
Tiefstapeln ist keine Tugend
Von Martin Dunzendorfer
Dass DHL im operativen Ergebnis die Konsensschätzung klar übertroffen hat, ist an sich positiv. Aber das Erwartungsmanagement lässt zu wünschen übrig.
Dass Konzernergebnisse von den Konsensschätzungen der Analysten abweichen können, ist für Marktakteure das Salz in der Suppe. Ansonsten wäre der Börsenhandel viel langweiliger. So lange es nur um verhältnismäßig geringe Abweichungen geht, ist den Experten aus den Research-Häusern und dem Management auch kein Vorwurf zu machen. Doch was, wenn sogar das Vorzeichen falsch ist und statt eines deutlichen Gewinnrückgangs vom Unternehmen ein kräftiger Zuwachs berichtet wird? Ist das wirklich nur ein Beleg für die Inkompetenz der Analysten?
Ein Anstieg, der prozentual höher ausfällt als der von Analysten erwartete Rückgang
Konkret geht es um das operative Ergebnis von DHL (ehemals: Deutsche Post). Im Schnitt hatten Analysten mit einem Ebit von 1,28 Mrd. Euro gerechnet, was einem Minus im Vergleich zur Vorjahreszeit von 6,6% entsprochen hätte. Am Donnerstag berichtete der Vorstand zur Überraschung der Marktteilnehmer von einem Anstieg um 7,6% auf 1,5 Mrd. Euro. Daraufhin legte der Kurs des Dax-Wertes im Handelsverlauf um rund 9% zu.
Beachtliche Leistung des Managements
Dass die Investoren applaudieren würden, war nach der Zahlenvorlage absehbar. Und natürlich ist es eine beachtliche Leistung des DHL-Managements, durch das laufende Sparprogramm („Fit for Growth“) die strukturellen Kosten so stark zu drücken, dass zusammen mit dem Abbau von Überkapazitäten in einigen Bereichen sowie den Preiserhöhungen die Wirkung des gesunkenen Umsatzes überkompensiert wurde, die sich aus der Konjunkturflaute in großen Teilen der Welt und dem anhaltenden Handels- und Zollstreit ergab. Das soll gar nicht infrage gestellt werden. Doch es gehört auch zu den Vorstandsaufgaben eines gelisteten Unternehmens, die Markterwartungen im Auge zu behalten und bei größeren Abweichungen zu den sich abzeichnenden Ergebnissen einzugreifen und die Analystenschätzungen in eine realitätsnahe Richtung zu lenken. Dies wurde nicht getan. Nicht einmal, als im September die britische Tochter der Division E-Commerce mit dem lokalen Paket- und Briefzusteller Evri fusionierte und sich daraus – wie sich nun zeigt – ein positiver Einmaleffekt auf das Ebit von 123 Mill. Euro ergab.
Volatile Zeiten sind kein Freibrief für Untätigkeit
Tiefstapeln ist keine Tugend. Erst recht nicht an der Börse. Auf einem Handelsplatz sind Fakten oder zumindest aktuelle und wirklichkeitsnahe Angaben und Schätzungen gefragt. Dass gerade in einem hochvolatilen Umfeld wie derzeit Voraussagen über Umsatz und Ergebnisse schwierig sind, darf kein Freibrief dafür sein, Investoren und Analysten auflaufen zu lassen.
