KommentarNeue US-Strategie

Transatlantische Frenemies

Europas Souveränität steht nur auf dem Papier. Wenn die USA die Gemeinschaft zerschlagen wollen, können sie noch andere Register ziehen und EU-Unternehmen etwa vom Zugang zu Finanzdienstleistungen ausschließen. Wie sieht Plan B für Brüssel aus?

Transatlantische Frenemies

US-Strategie

Transatlantische
Frenemies

Von Stephan Lorz

Spätestens mit dem Update der US-Strategie dürfte auch allen Europäern klar geworden sein, dass die vielbeschworene Wertegemeinschaft mit den USA nur noch Fassade ist. US-Präsident Donald Trump spricht zwar noch nicht aus, was Tesla-Chef Elon Musk bereits verlangt, nämlich die EU zu zerschlagen, Äußerungen und Handlungen der US-Regierung gehen aber in die gleiche Richtung. Aus der „transatlantischen Freundschaft“ sind Frenemies geworden.

Das hat auch Wirkung bis tief in die (Finanz-)Wirtschaft Europas. Schon bei der Zollpolitik liegen sich die beiden Blöcke über Kreuz. Und in der Digitalpolitik wird es ungemütlich, weil Washington auf Änderungen der Regulierung drängt, für die US-Tech-Konzerne unbeschränkte Freiheiten fordert. Dass der EU erst jetzt bewusst wird, dass sie digital nicht souverän handeln kann, sondern auf Dienstleistungen der US-Digitalkonzerne angewiesen ist, zeigt das ganze Ausmaß europäischer Naivität und Verwundbarkeit – und das Erpressungspotenzial der USA.

Wie weit kann Brüssel gehen?

Zwar hat Brüssel dem Social-Media-Konzern „X“ (Ex-Twitter) jüngst eine Strafe von 120 Mill. Euro aufgebrummt. Aber wie weit ist die EU bereit zu gehen und sich gegen die USA zu stellen, wenn sich Trump einmischt? Der Richter Nicolas Guillou am Internationalen Strafgerichtshof spürt die Konsequenzen am eigenen Leib: Auf Anordnung Trumps entzogen ihm US-Konzerne jeglichen Zugang zu ihrer Software oder (Finanz-)Dienstleistungen. Er lebt nun in der „digitalen Steinzeit“, wie er selbst beklagt.

Was wäre, wenn Trump im ein oder anderen Konflikt auf die Idee käme, auch EU-Politiker, Unternehmen oder ganze Branchen von digitaler Kommunikation, Finanzdienstleistungen, Standardsoftware und Cloudlösungen auszusperren? Sind die Unternehmen darauf vorbereitet? Was ist ihr Plan B? Wie lange wollen Politik und Wirtschaft noch darauf hoffen, dass die engen transatlantischen Verflechtungen Washington schon zügeln? Jetzt rächt sich, dass Brüssel zwar Weltmarktführer in Regulierung ist, aber seine Souveränität technologisch und digital nicht durchbuchstabiert hat, sie nur auf dem Papier steht.


Bericht und Kommentar zur digitalen Souveränität Europas