Notiert inNew York

Trendspiel Pickleball soll durch hohe Investitionen zum Profisport werden

Pickleball zählt zu den am schnellsten wachsenden Sportarten Amerikas. Promi-Investoren wollen das Spiel nun zur professionellen Vermarktungsmaschine formen – doch Analysten zweifeln an den Erfolgsaussichten.

Trendspiel Pickleball soll durch hohe Investitionen zum Profisport werden

Notiert in New York

Pickleball erobert Amerika

Von Alex Wehnert

Der dunkelhaarige Herr jagt dem löchrigen Plastikball hinterher. Durch einen Ausfallschritt gelingt es ihm, das Spielgerät zu erreichen, bevor es zum zweiten Mal auf dem Boden aufkommt. Mit seinem "Paddle" – kleiner als ein Tennis-, aber größer als ein Tischtennis-Schläger – drischt er den Ball über das Netz zurück und will sich für den nächsten Angriff in Stellung bringen. Allerdings hat er im Eifer des Gefechts wohl vergessen, dass er statt Sporttretern noch seine cognacfarbenen Herrenschuhe trägt, und rutscht zur Erheiterung des Publikums aus. Doch das andere Team kann den Patzer nicht ausnutzen, da eine der Spielerinnen ein spektakuläres Luftloch schlägt.

Der Ballwechsel, in dessen Verlauf sich die zu früh verstorbene Tennislegende Arthur Ashe im Grabe umgedreht haben dürfte, trägt sich am Dienstagnachmittag im südlichen Central Park zu. Dort, wo im Winter die Eisbahn Wollman Rink die Schlittschuhläufer anlockt, sind seit Anfang April 14 Pickleball-Plätze aufgebaut. Das Spiel zählt zu den am schnellsten wachsenden Sportarten Amerikas: Im Jahr spielen in den USA laut der Sports and Fitness Industry Association 4,8 Millionen Menschen regelmäßig Pickleball. Auch in Deutschland gewinnt das Spiel an Beliebtheit. Erfunden hat es indes bereits 1965 der spätere US-Kongressabgeordnete Joel Pritchard mit zwei Freunden, die eine Beschäftigung für ihre gelangweilten Kinder suchten.

Anders als beim Tennis braucht es für Pickleball weder besonders ausgefeilte athletische Fähigkeiten noch eine hervorstechende Hand-Auge-Koordination. Das Spiel ist zwar dynamisch, aber langsamer als der Sport der Könige und verlangt den Teilnehmern aufgrund der geringeren Platzgröße weniger läuferische Fähigkeiten ab. So wie der Herr mit den cognacfarbenen Herrenschuhen treten auf den Plätzen im Central Park viele Spieler im Business-Dress an, die Sakkos sorgsam beiseitegehängt und die Hemdsärmel aufgerollt, andere holzen in Jeans und T-Shirt drauf los. Daneben findet sich natürlich eine Gruppe ambitionierterer Pickleballer im Sportoutfit, deren Schlagtechnik Arthur Ashe aber wohl auch nur in den seltensten Fällen überzeugt hätte.

Den Status als reine Freizeitbeschäftigung soll Pickleball nun hinter sich lassen – zumindest, wenn es nach American-Football-Champion Tom Brady und US-Open-Siegerin Kim Clijsters geht. Sie gehören zu einer Reihe prominenter Investoren, die in Pickleball-Teams investieren. Denn inzwischen gibt es auch US-Profiligen: Die Major League Pickleball debütierte 2021 mit acht Teams, bis heute ist sie auf 24 Mannschaften gewachsen. Aktuell liegen dort die kalifornischen Bay Area Breakers und die Seattle Pioneers vorn.

Die Investoren setzen darauf, dass aus Pickleball eine Vermarktungsmaschine ähnlich anderer Profisportarten wird. Als entscheidend dafür gilt eine steigende Popularität beim TV-Publikum. Der Sender ESPN strahlte im Frühjahr den "Pickleball Slam" aus, in dessen Rahmen die ehemaligen Tennisprofis Andre Agassi, John McEnroe, Michael Chang und Andy Roddick um ein Preisgeld von 1 Mill. Dollar spielten.

Bei dem Ereignis schalteten durchschnittlich 237.000 Zuschauer unter 50 Jahren ein, womit es mehrere Spiele der Baseball-Liga MLB, der Basketball-Liga NBA und der Eishockey-Liga NHL, die in der gleichen Woche stattfanden, in den Schatten stellte. Die nächste Auflage des "Pickleball Slam" ist für den kommenden Februar angesetzt, Agassi und McEnroe sollen dabei mit Steffi Graf und Maria Scharapowa Teams bilden.

Sport- und Marketing-Experten zweifeln indes daran, dass Pickleball dauerhaft das Fernsehpublikum begeistern kann. Schließlich sei auch Tischtennis der große kommerzielle Erfolg bisher versagt geblieben. Zudem müssten Pickleball-Promoter bisher stets im Ruhestand befindliche Größen aus anderen Sportarten engagieren. Eigene Stars fehlten dem Spiel bisher – vielleicht liegt gerade hier die große Chance für den Herrn mit den cognacfarbenen Schuhen aus dem Central Park.

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.