LeitartikelInterventionismus

Trumps Eingriffe nehmen Amerikas Wirtschaft die Orientierung

Washingtons Blockade von Werkschließungen bei US Steel zeigt die Probleme des neuen amerikanischen Interventionismus auf. Die Regierung versperrt auch anderen Unternehmen den Weg in die Zukunft.

Trumps Eingriffe nehmen Amerikas Wirtschaft die Orientierung

US-Staatseingriffe

Intervention ohne Kompass

Das Weiße Haus
blockiert Werkschließungen bei US Steel. Mit ihrem orientierungslosen Interventionismus
versperrt die Regierung Unternehmen den Weg in die Zukunft.

Von Alex Wehnert

Die interventionsfreudige US-Regierung trifft Entscheidungen für Industrien, in denen Präsident Donald Trump und seinem Handelsminister Howard Lutnick jeglicher Kompass fehlt – und weist diesen damit den Weg in den Ruin. Eklatantestes Beispiel ist derzeit US Steel: Die anderthalb Jahre lange Saga um die 14,9 Mrd. Dollar schwere Übernahme des Stahlriesen durch die japanische Rivalin Nippon Steel fand im Juni nach äußerst ungewöhnlicher Einmischung Washingtons ihr Ende. Trumps Amtsvorgänger Joe Biden hatte den Deal unter Verweis auf die Bedeutung einer unabhängigen Stahlproduktion für die nationale Sicherheit blockiert. Doch Trump ordnete eine neue Prüfung an, die Übernahme ging schließlich unter Auflagen über die Bühne. So hält die Regierung eine goldene Aktie, die ihr ein Veto-Recht bei strategischen Entscheidungen für US Steel einräumt. 

Berechtigte Sorgen der Wall Street

Das rief an der Wall Street Befürchtungen wach, Washington könne politisch inopportune, für die Gesundheit des Unternehmens aber notwendige Maßnahmen wie Fabrikschließungen oder den Abbau von Arbeitsplätzen blockieren. Diese haben sich binnen kürzester Zeit als vollkommen berechtigt herausgestellt. Denn Trump hat sich Plänen von US Steel in den Weg gestellt, den Betrieb ihres Werkes in Granite City, Illinois, einzustellen. Dabei hatte der Konzern schon kommuniziert, die 800 dort beschäftigten Arbeiter mindestens bis 2027 bezahlen zu wollen – was Lutnick aber nicht reichte. Der Handelsminister bezeichnete das Vorhaben als „Unsinn“ und machte Druck auf CEO David Burritt. US Steel fand darauf magisch die Möglichkeit, die Stahlwalzen am Laufen zu halten.

Donald Trump weist mehreren Zweigen der US-Wirtschaft den Weg in den Ruin.
Donald Trump weist mehreren Zweigen der US-Wirtschaft den Weg in den Ruin.
picture alliance / NurPhoto | Andrew Leyden

Geschäftlich zu rechtfertigen ist die Entscheidung nicht. Denn die Nachfrage nach amerikanischem Stahl ist erheblich erschlafft, seit Trump in seiner ersten Amtszeit mit Einfuhrzöllen für explodierende Preise sorgte. Derzeit fallen die Bezugskosten in den USA doppelt so hoch aus wie im globalen Durchschnitt. Im aktuellen, extrem unsicheren handelspolitischen Umfeld stehen insbesondere die großen Abnehmer aus der Fahrzeugbranche unter Druck. Der US-Präsident trägt also klar dazu bei, die strukturellen Probleme der Stahlbranche zu verschärfen. US Steel hat die beiden Hochöfen in Granite City bereits stillgelegt, die Arbeiter am Werk walzen indes lediglich noch andernorts produzierten Stahl.

Politischer Opportunismus diktiert Kurs

Trump und Lutnick zwingen US Steel also, Energie, Logistik und Materialinput für einen Standort aufzuwenden, für den der Konzern keine Verwendung mehr hat. Selbst das Modell, in dem die Industrieikone Mitarbeiter lediglich für Instandhaltungsarbeiten bezahlt und damit auf eine Erholung im Sektor spekuliert hätte, wäre sinnvoller gewesen. Indem der Präsident und sein Minister mit ihrem Interventionismus marktwirtschaftliche Prozesse aushebeln, kreieren sie nicht nur für sich selbst, sondern auch für ihre Nachfolger eine unmögliche Situation. Denn nun, da die goldene Aktie existiert, wird kein Politiker derjenige sein wollen, der sich einem Stellenabbau nicht in den Weg gestellt hat – selbst dann nicht, wenn Fabrikschließungen Unternehmen befähigen würden, an anderen Standorten mehr zu investieren und neue Arbeitsplätze zu schaffen.

Investitionen in Zukunftstechnologien wie grünen Stahl, die der Industrie langfristig das Überleben sichern könnten, werden mit dieser Administration ohnehin nicht zu machen sein. Vielmehr liegt der Gedanke nah, dass der Präsident den Einfluss seiner Regierung auf einen milliardenschweren Konzern nutzen könnte, um diesen etwa zu zwingen, liquide Mittel statt in Zukunftstechnologien wie grünen Stahl in Kryptowährungen wie die Meme Coins des Trump-Clans zu investieren. Denn der selbsternannte Chef-Dealmaker im Weißen Haus hat in den vergangenen Monaten einmal mehr eindrucksvoll unter Beweis gestellt, dass er vor nichts zurückschreckt, um sich selbst zu bereichern.

Düstere Ausblicke in anderen Sektoren

Der Stahlsektor ist dabei nicht der einzige, dem Trumps fehlgeleiteter Interventionismus den Weg in die Zukunft versperrt. Für Unternehmen im Bergbau- oder Halbleitersektor, denen Washington direkte Staatsbeteiligungen aufgezwungen hat oder bei denen die Regierung dies plant, sieht die Lage noch düsterer aus. Der schlingernde Chipriese Intel wird in der Folge nicht nur einzelne Werke, sondern seine gesamte, verlustreiche Auftragsfertigung nicht loswerden. Unternehmen verschiedener Branchen in Europa, die neidvoll auf das lockere regulatorische Umfeld in den USA schielen und über das Brüsseler Verordnungsdickicht klagen, sollten ihre Haltung mit Blick auf diese Entwicklungen überdenken. Denn ihre amerikanischen Wettbewerber müssen sich nicht mit komplexen, aber immerhin einheitlichen Vorgaben herumschlagen – sondern mit dem willkürlichsten strategischen Investor, der vorstellbar ist.