Im BlickfeldHandelskonflikte setzen Unternehmen unter Druck

Trumps Politik treibt US-Firmen in die Insolvenz

Washingtons Handelskrieg setzt zahlreiche kleine und mittelgroße US-Unternehmen schwer unter Druck. In der Folge zieht die Zahl der Insolvenzen bereits an – und Gläubigern drohen noch schwere Schäden.

Trumps Politik treibt US-Firmen in die Insolvenz

Trumps Politik treibt
US-Firmen in die Insolvenz

Washingtons Handelskrieg setzt heimische Unternehmen schwer unter Druck. In der Folge steigt die Zahl der Insolvenzen – und Gläubigern drohen schwere Schäden.

Von Alex Wehnert, New York

In Coppell, einem Vorort der texanischen Metropole Dallas, steht ein kleiner, aber unüberwindbarer Schuldenberg. Das in der Trabantenstadt ansässige Einrichtungsunternehmen At Home Group hat Verbindlichkeiten im Volumen von rund 2 Mrd. Dollar angehäuft, der damit mehr als der übliche Jahresumsatz des Retailers beträgt. Der Großteil entstand im Zuge eines Leveraged Buyout durch die Private-Equity-Firma Hellman & Friedman 2021 – im laufenden Jahr wurde die Last jedoch zu schwer. Denn wie Chief Financial Officer Jeremy Aguilar erklärt, hat At Home mit rückläufiger Nachfrage und massiver Unsicherheit infolge der unberechenbaren Handelspolitik Washingtons zu kämpfen.

Von Importen aus China abhängig

Das Unternehmen ist stark von Importen aus China abhängig, auf die US-Präsident Donald Trump zwischenzeitlich aber Strafzölle von 145% verhängte – nach Abschluss einer auf wackligen Beinen stehenden Handelsvereinbarung zwischen Washington und Peking gilt noch immer eine „Tariff“-Rate von 55%. Dies habe „den finanziellen Druck auf das Unternehmen verschärft“, sagte CFO Aguilar – At Home muss nun zum zweiten Mal in ihrer Geschichte die Flucht in den Gläubigerschutz nach Kapitel elf des US-Insolvenzrechts antreten.

Das texanische Einrichtungsunternehmen ist nur eine von vielen kleinen und mittelgroßen amerikanischen Firmen, die in Trumps zweiter Amtszeit unter ihrer Schuldenlast zusammenzubrechen drohen. Der Autozulieferer Marelli hat zuletzt ein Insolvenzverfahren für seine US-Gesellschaft Marelli Automotive Lighting angestoßen, die Beleuchtung und andere innere Elektronik für Produzenten wie Nissan und die Marken der Jeep-Mutter Stellantis herstellt.

Probleme in der Lieferkette

Wie Vorstandschef David Slump betonte, kämpfte das 2019 aus der vom Private-Equity-Riesen KKR vorangetriebenen Fusion des Autoteilegeschäfts von Fiat Chrysler mit einer japanischen Firma hervorgegangene Unternehmen ohnehin mit langfristigen Lieferkettenproblemen infolge der Corona-Pandemie. Für Marelli, die global 40.000 Mitarbeiter beschäftigt und unter einer Schuldenlast von rund 5 Mrd. Dollar ächzt, sei es in der Folge weitaus schwieriger geworden, sich wichtige Rohstoffe zu beschaffen.

Trumps Strafzölle seien dann zum nächsten harten Schlag für das Import-Export-Geschäft des Zulieferers geworden. Denn der Präsident verhängte Anfang April „Tariffs“ von 25% auf Automobilimporte – und die Hoffnungen von Handelspartnern wie Japan, Ausnahmen von den hohen Einfuhrabgaben vereinbaren zu können, haben sich nach jüngsten öffentlichen Aussagen des Republikaners erheblich eingetrübt. Nun zeichnet sich eine Notübernahme von Marelli, zu deren Gläubigern auch die Deutsche Bank gehört, durch ein US-geführtes Konsortium bisheriger Kreditgeber ab.

Der Zulieferer Marelli ringt mit den Folgen hoher US-Automobilzölle.
Der Zulieferer Marelli ringt mit den Folgen hoher US-Automobilzölle.
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Wirtschaftskanzleien warnen davor, dass die Zahl der Unternehmenspleiten angesichts eines drohenden gesamtwirtschaftlichen Abschwungs im zweiten Halbjahr noch in die Höhe schießen dürfte. Bereits 2024 reichten gemäß Daten von LPL Financial und S&P Global 694 öffentlich gehandelte und privat gehaltene US-Unternehmen Insolvenzanträge ein, darunter Namen wie die Fluggesellschaft Spirit Airlines oder Tupperware Brands, der bekannte Hersteller von Haushaltsprodukten. Die Zahl fiel damit so hoch aus wie seit 2010 nicht mehr, damals flüchteten 828 Unternehmen in den Gläubigerschutz. „Trotz der geldpolitischen Lockerung um 100 Basispunkte im vierten Quartal verspüren Unternehmen – insbesondere solche mit hohem Verschuldungsgrad – noch immer Druck durch erhöhte Zinsniveaus“, kommentiert Jeffrey Roach, Chefökonom von LPL, die Entwicklung.

Kritik von Aktionärsvertretern

Im Gegensatz zur Praxis in Europa fällt die Hemmschwelle für eine Flucht von US-Unternehmen in den Gläubigerschutz niedriger aus. Denn Chapter 11 beinhaltet zwar strenge Auflagen zur Buchführung sowie zur Herstellung eines profitablen Geschäftsmodells. Allerdings ermöglicht es Firmen, den Betrieb fortzuführen, während sie einen Rückzahlungsplan für ihre Schulden erarbeiten. Zudem können sie neue Kredite aufnehmen, die Vorrang vor alten Forderungen haben. In der Vergangenheit nutzten Großkonzerne wie General Motors, der später von Chevron übernommene Ölriese Texaco und zahlreiche Fluggesellschaften Chapter-11-Verfahren erfolgreich für eine Sanierung.

Beim Chiphersteller Wolfspeed löste die Insolvenzerklärung in der laufenden Woche sogar einen Kurssprung der zuvor schwer gebeutelten Aktie um 80% aus. Das Unternehmen aus Durham, North Carolina, das im vergangenen Jahr Pläne zum Bau einer Fabrik in Deutschland auf Eis legte, hatte im Mai angesichts der Unsicherheit infolge des US-Handelskriegs Zweifel daran angemeldet, den Geschäftsbetrieb fortsetzen zu können. Nach einer Einigung mit Vorrang- und Wandelanleihengläubigern um den japanischen Großkunden Renesas Electronics will Wolfspeed die Schuldenlast nun um 70%, also 4,6 Mrd. Dollar, reduzieren. Das Unternehmen geht davon aus, den Gläubigerschutz bis Ende des dritten Quartals verlassen zu können – bis dahin sollen Lieferungen an Kunden und Zahlungen an Zulieferer regulär vonstatten gehen.

Bankrotterklärung als strategische Maßnahme

Der Lebensmittelhersteller Del Monte Foods, dem US-Ableger der in Singapur ansässigen Del Monte Pacific, hat sich am Mittwoch ein Unternehmen eingereiht, die das Chapter-11-Verfahren als strategische Maßnahme begreifen. Nach eigenen Angaben hat er Zusagen über sogenannte Debtor-in-Possession-Finanzierungen – Vorrangkrediten für bankrotte Unternehmen, die häufig direkt durch Assets besichert sind – im Volumen von 912,5 Mill. Dollar eingeholt. Der kalifornische Anbieter von Dosenmais will die Restrukturierung nun nutzen, um sich für einen Verkauf fit zu machen.

Erbsendosen von Del Monte: Der Lebensmittelhersteller will seine Insolvenz nutzen, um sich für einen Verkauf fit zu machen.
Erbsendosen von Del Monte: Der Lebensmittelhersteller will seine Insolvenz nutzen, um sich für einen Verkauf fit zu machen.
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Doch kritisieren Aktionärsvertreter, dass derartige Insolvenzen zur Allzweckwaffe für Management-Teams geworden seien, um sich von einer unzureichenden Strategieentwicklung reinzuwaschen. Im laufenden Jahr flüchtete beispielsweise das Gentest-Startup 23andMe in den Gläubigerschutz, das über Jahre im großen Stil Cash verbrannte und trotz hohen öffentlichen Interesses und Investments von Geldgebern wie dem britischen Pharmariesen GSK daran scheiterte, ein profitables Geschäftsmodell zu entwickeln.

Gläubiger müssen herbe Verluste fürchten

Während Aktionäre bei Chapter-11-Insolvenzen üblicherweise vor dem Totalverlust stehen, gehen diese auch für Gläubiger nicht immer glimpflich aus. Der Mietwagenanbieter Hertz zahlte nach seiner Restrukturierung im Jahr 2020 zwar 1,1 Mrd. Dollar an Anteilseigner zurück, wodurch sich Kreditgeber allerdings übervorteilt sahen. Ein US-Gericht urteilte 2024, dass das Unternehmen Gläubigern 270 Mill. Dollar für entgangene Zinszahlungen schuldete – da hatte Hertz allerdings schon wieder kurzfristige Verbindlichkeiten von fast 5 Mrd. Dollar angehäuft und mit dem Kauf zehntausender Teslas in einem Umfeld, in dem Amerikaner Elektroautos mit enormer Skepsis begegnen, laut Analysten den nächsten schweren strategischen Fehler begangen.

Die „Recovery Rates“ – also der Anteile an den Volumina ausgefallener Kredite, die Gläubiger im Insolvenzprozess zurückerhalten – sind laut LPL-Ökonom Roach zuletzt auf ein Mehrjahrestiefs eingebrochen. Dies verdeutliche den finanziellen Stress, unter dem viele Firmen litten. Dieser droht sich nun noch zu erhöhen. Denn neben dem Handelskrieg sorgt auch Trumps Steuerpaket, die „Big Beautiful Bill“, für Unruhe. Dieses hat am Dienstag eine knappe Mehrheit im Senat gefunden und dürfte das US-Haushaltsdefizit laut dem Congressional Budget Office noch deutlicher ausweiten als befürchtet. Die Folge der erratischen Fiskalpolitik Washingtons werden neuerliche Anstiege der Laufzeitenprämien am Staatsanleihemarkt sein, warnen Ökonomen um Goldman-Sachs-Chefvolkswirt Jan Hatzius schon seit Monaten. Damit einherzugehen droht auch ein neuer Sprung der langfristigen Finanzierungskosten für Amerikas angeschlagene Unternehmen.

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