Übereifriger Minister
ProSiebenSat.1
Übereifriger
Minister
Von Joachim Herr
Wolfram Weimer will sich für unabhängiges Privatfernsehen und Meinungsvielfalt einsetzen. Als ehemaliger Journalist und Verleger steht er der Branche nah. Doch mit der Einladung an Pier Silvio Berlusconi zu einem Gespräch schießt der Staatsminister für Kultur und Medien über das Ziel hinaus. Berlusconi ist der Vorstandsvorsitzende des italienischen Medienkonzerns Media for Europe, der mit einem Anteil von gut 30% größter Aktionär von ProSiebenSat.1 ist. Bis zu einer Mehrheit von 50% wäre es trotz des jetzt erhöhten Übernahmeangebots ein weiter Weg.
Eine Unterhaltung mit Berlusconi, der mit einem Einstieg in die Politik liebäugelt, kann außer dem Eingeladenen freilich niemand Weimer verwehren. Aber es ist nicht die Aufgabe des Bundesministeriums, die Konzentration des privaten Rundfunks zu kontrollieren und die Meinungsvielfalt zu sichern. Das ist Ländersache. Dafür gibt es die 14 Medienanstalten in der Bundesrepublik. Deren Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich verneint bisher einen beherrschenden Einfluss von Media for Europe (MFE) auf die ProSiebenSat.1-Gruppe. Seit dem Einstieg 2019 versuchte MFE bisher nicht, ins Programm einzugreifen, wie im Unternehmen in Unterföhring zu hören ist.
Kein Fall für Standortpolitik
Weimer erwartet von den Italienern nicht nur einen Verzicht auf politischen Einfluss, sondern auch eine Standortgarantie für ProSiebenSat.1. Und nach seinen Vorstellungen müsste im Fall einer Übernahme der Hauptsitz der gemeinsamen europäischen Medienplattform in Deutschland liegen. Es ist zweifellos gut, wenn sich die Politik um den Standort D kümmert. Aber ihr Feld sind die Rahmenbedingungen – für die gesamte Wirtschaft. Da hätte und hat die Bundesregierung mehr als genug zu tun.
Über Standorte von Unternehmen und von Beschäftigten entscheiden jedoch das Management, Betriebsräte, Gesellschafter oder Aktionäre – nicht Politiker. Um als Kulturstaatsminister Profil zu gewinnen, sollte sich Weimer auf die Themen konzentrieren, die zu seinen Aufgaben gehören. Die Zukunft von ProSiebenSat.1 steht nicht auf dieser Liste.