LeitartikelZF in der Krise

Überlebenskampf am Bodensee

Aufgrund eines Finanzschuldenbergs von 15 Mrd. Euro hängt die Restrukturierung des Autozulieferers ZF vom Wohlwollen der Gläubigerbanken ab.

Überlebenskampf am Bodensee

ZF in der Krise

Überlebenskampf am Bodensee

Von Stefan Kroneck

Aufgrund eines Finanzschuldenbergs von 15 Mrd. Euro hängt die Restrukturierung des Autozulieferers ZF vom Wohlwollen der Gläubigerbanken ab.

Die strukturelle Krise der deutschen Autoindustrie hat sich verschärft. Das bekommen insbesondere die Zulieferer zu spüren. Eine Pleitewelle trifft die überwiegend mittelständisch geprägt Branche. Zuletzt erregte die Insolvenz von Kieckert Aufsehen. Eine schleppende Nachfrage nach Elektroautos, die Zollkapriolen der US-Regierung und der scharfe Verdrängungswettbewerb in China machen schwer zu schaffen.

In der schwierigen Lage bringt Größe keinen Vorteil. Die großen Adressen befinden sich ebenfalls in einem Restrukturierungsprozess. Der Abbau von Tausenden Stellen sorgt für Schlagzeilen. Abspaltungen und Strategiewechsel bestimmen das Bild. Ein Beispiel dafür ist der zweitgrößte deutsche Autozulieferer ZF. Der Konzern mit Sitz in Friedrichshafen am Bodensee befindet sich im Überlebenskampf. Das Unternehmen ächzt unter einem hohen Schuldenberg, verzeichnet Überkapazitäten und schreibt nach Steuern tiefrot. Das bringt die Gläubigerbanken in Habachtstellung.

Massiver Zeitdruck

Der jüngste Wechsel an der Konzernspitze traf vermutlich auch die Kreditinstitute überraschend. Während der Branchenmesse IAA Mobility ersetzte der Aufsichtsrat den bisherigen Vorstandsvorsitzenden Holger Klein durch Mathias Miedreich, der erst seit Anfang dieses Jahres dem obersten Führungsgremium angehört. Die Entscheidung gleicht einem Paukenschlag, erfolgt doch der Wechsel mitten in der heißen Phase der Verhandlungen mit dem Gesamtbetriebsrat über die Zukunft der schwächelnden Konzerndivision E. Das krisengeschüttelte Antriebsgeschäft gilt aus Sicht der Konzernführung als nicht mehr wettbewerbsfähig. Betroffen davon sind 28.000 Beschäftigte, die für einen Jahresumsatz von rund 10 Mrd. Euro stehen.

Für ZF ist das ein gewaltiger Brocken. Die Einheit umfasst nahezu ein Fünftel aller Konzernmitarbeiter und macht rund ein Viertel der Konzernerlöse aus. Miedreich ist nun der neue Hoffnungsträger. Allerdings steht er unter starkem Zeit- und Handlungsdruck. Bis Ende September muss er eine Lösung für die E-Sparte vorlegen.

Börsengang hat geringe Erfolgsaussicht

Miedreich skizzierte bisher folgende Maßnahmen: Kostensenkungen, Überprüfung des Portfolios, Verlagerungen der Fertigung und Stellenstreichungen. Nach dem zuletzt beschlossenen Personalabbau, wovon bis 2028 insgesamt gut 15.000 Personen betroffen sind, zeichnet sich eine weitere Runde von umfangreichen Arbeitsplatzverlusten ab. Angesichts des angespannten Umfelds wird sich kaum ein Investor finden, der bereit ist, mit frischem Geld den aufwendigen Umbau zu finanzieren. Ein Börsengang der Sparte hat ebenfalls geringe Aussichten auf Erfolg.

Daher ist die nicht börsennotierte ZF-Gruppe mehr den je auf ihre kreditgebenden Banken und auf Anleiheemissionen angewiesen. Aufgrund des schlechten Kreditratings und wachsender Risiken steigen aber die Zinskosten der Firma. Das dämpft die Profitabilität. Eine Woche nach dem angekündigten Chefwechsel begab das Unternehmen einen Bond von über 1,5 Mrd. Dollar bei einem Zinssatz von 7,5%. ZF zahlt damit 50 Basispunkte mehr als bei der Emission im Frühsommer.

Abhängig von Gläubigerbanken

Zugleich verschaffte sich ZF im Juni bei den Gläubigerbanken mehr Luft, indem die Vertragsklauseln in Bezug auf Verschuldungsobergrenzen bis Mitte nächsten Jahre gelockert wurden. Das ist faktisch eine Schonfrist, wären doch beim Reißen dieser Covenants die Darlehen sofort fällig. Ende Juni summierten sich die Finanzverbindlichkeiten auf insgesamt 15 Mrd. Euro.

ZF ist von den Finanzgläubigern abhängig. Das begrenzt den Handlungsspielraum von Miedreich. Scheitert er mit seinem Konzept, dürfte es für ZF eng werden. Nun rächen sich die beiden milliardenschweren, fremdfinanzierten US-Zukäufe der Jahre 2014 (TRW) und 2020 (Wabco), die zum Schuldenberg führten. Nach der teuren Expansionsphase befindet sich ZF auf einem Schrumpfkurs mit ungewissem Ausgang.