Umgekehrte Vorzeichen
Aktienmärkte
Umgekehrte Vorzeichen
Von Werner Rüppel
Wer bereits über viele Jahre an den Märkten aktiv ist, weiß, dass die Notenbanker die Götter der Märkte sind. Was sie meinen, ankündigen und machen, bestimmt maßgeblich den Kurs von Aktien und Anleihen. Ganz gleich, ob wir nun von Chefinnen und Chefs wie Volker, Greenspan, Powell, Tietmeyer, Duisenberg, Draghi oder Lagarde sprechen. Alle haben sie die Märkte kräftig bewegt.
In diesem Jahr gibt es nun ein interessantes Phänomen. Da hat die EZB ihre Leitzinsen mehrfach gelockert und massiv nach unten geschleust. Angesichts des deutlichen Rückgangs der Inflation in Euroland war dies auch gut möglich. Von der lockeren Geldpolitik haben nicht zuletzt auch die europäischen Aktienmärkte und der Dax profitiert.
Aufgrund erheblicher Inflationsgefahren hat die US-Notenbank Fed in diesem Jahr hingegen noch nicht gelockert. Eine erste US-Leitzinssenkung steht aber in der kommenden Woche an. Und die beiden Faktoren, dass der US-Leitzins noch relativ hoch ist und der amerikanische Arbeitsmarkt schwächelt, sprechen dafür, dass die US-Notenbank, die Leitzinsen mehrfach senken wird. „Wir gehen wie die meisten Marktteilnehmer von fünf Zinssenkungen aus“, erklärt zum Beispiel Vincenzo Vedda, Chief Investment Officer der DWS.
Blase versus Leitzinsfantasie
Da die EZB ihr Pulver im bisherigen Jahresverlauf bereits verschossen hat, und zumindest in diesem Jahr nicht mehr senken dürfte, ergeben sich damit umgekehrte Vorzeichen als in den ersten acht Monaten dieses Jahres. US-Aktien werden fortan von der Erwartung niedriger Leitzinsen unterstützt, während die Notenbankzinsen in Euroland zwar niedrig und unterstützend sind, aber eben nicht mehr fallen werden.
Nun sind US-Aktien, und dabei vor allem die Tech- und KI-Werte, inzwischen extrem hoch bewertet. Auch ist es in den vergangenen Tagen bei guten Nachrichten zu massiven Kurssteigerungen bei KI gekommen. Mehrere Analysten stellen inzwischen eine Blasenbildung am US-Markt fest. Doch dürften fallende Leitzinsen jetzt amerikanische Aktien stützen.