KommentarRussland-Geschäfte

Dilemma mit der Sanktionstreue

Mit dem elften Sanktionspaket will die EU Schlupflöcher schließen. Dabei gibt es auch in Europa Probleme mit der Sanktionstreue.

Dilemma mit der Sanktionstreue

Russland-Geschäfte

Dilemma mit der Sanktionstreue

Von Stefan Reccius

Wenn es um das Umgehen von Sanktionen geht, darf die Europäische Union nicht mit zweierlei Maß messen.

Da ist zum Beispiel das Mysterium mit den Schattenflotten. Unter falscher Flagge steuern Tanker russische Häfen an, um ungeachtet der Embargos und Preisdeckel Rohöl und raffinierte Ölprodukte außer Landes zu bringen. Nach Erkenntnissen des Datendienstleisters S&P Global Market Intelligence zählt Russlands Schattenflotte mehrere Hundert Tanker. Nicht zuletzt Reeder aus Griechenland sehen sich Vorwürfen ausgesetzt, Sanktionen zu unterlaufen, um weiterhin russisches Öl über die Weltmeere auf die Weltmärkte zu liefern.

Zehn Sanktionspakete hat die Europäische Union mit den anderen Alliierten der Ukraine geschnürt. Mit jedem Mal steigt allerdings das Risiko, dass Strafen unterlaufen werden. Inzwischen häufen sich Indizien, dass dies in großem Umfang geschieht. Das elfte Sanktionspaket soll dem Einhalt gebieten. Doch auch vor neuerlichen Verhandlungen der EU-Botschafter an diesem Mittwoch ist keine Einigung in Sicht.

Das hat auch mit einer schwarzen Liste aus der Ukraine zu tun. Darauf die Namen von Unternehmen, die weiterhin Geschäfte in Russland machen. Griechische Reedereien sollen ebenso auf dieser Liste stehen wie die ungarische Bank OTP. Solange dies der Fall ist, heißt es aus Budapest, wird es keine Zustimmung zum elften Sanktionspaket geben. Es darf niemanden überraschen, wenn man in Athen ähnlich denkt.

Die EU bringt das in ein Dilemma. In Brüssel will man es nicht länger dulden, dass Unternehmen Sanktionen gegen Russland umgehen. Das haben Spitzenpolitiker bis hinauf zu EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen sehr deutlich gemacht.

Von der Leyen will nach eigener Auskunft Beweise haben, dass aus China operierende Unternehmen sanktionierte Güter nach Russland schaffen. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell zeigt sich besorgt, dass Indien in rauen Mengen Rohöl aus Russland weiterverarbeitet und in Form von Kerosin oder Diesel in die EU schafft. Westliche Exporteure wiederum scheinen sanktionierte Güter über Umwege nach Russland zu schaffen. Darauf deutet für EU-Kommissionsvize Valdis Dombrovskis jedenfalls der sprunghaft gestiegene Handelsverkehr über Drittländer hin.

Es ist schon richtig, dass die EU solche Schlupflöcher im Sanktionsregime zu schließen versucht. Nur hat man in Brüssel offenkundig Länder jenseits der EU im Visier – was die Gefahr birgt, mit zweierlei Maß zu messen. Dabei lassen Russlands Schattenflotten erahnen, dass es mit der Sanktionstreue auch in der EU massive Probleme gibt.

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