KommentarStaatsanleihen

US-Renditeanstieg als unterschätztes Alarmsignal

Die Rendite zehnjähriger Treasuries klettert auf ein 15-Jahres-Hoch – dennoch machen beruhigende Analysen zu US-Staatsanleihen die Runde. Die Autoren unterschätzen dabei die derzeitigen Risiken für die Finanzmarktstabilität.

US-Renditeanstieg als unterschätztes Alarmsignal

US-Renditen

Unterschätztes Alarmsignal

Von Alex Wehnert

Der Renditeanstieg der zehnjährigen US-Staatsanleihe auf den höchsten Schlussstand seit Juni 2008 sendet ein Alarmsignal, das zu viele Kommentatoren noch immer unterschätzen. Am Mittwochabend belief sich die laufende Verzinsung des Titels auf 4,258%, im Handelsverlauf am Donnerstag ging es über die Marke von 4,3% hinaus. Dennoch machen Analysen von Assetmanagern die Runde, die das hohe Sicherheits- und Liquiditätsniveau von Treasuries betonen. Sie argumentieren, dass die USA weiterhin keine Schwierigkeiten haben dürften, ihren Verpflichtungen nachzukommen. Damit verkennen sie aber das Problem, das die Investoren umtreibt.

Denn es dürften ohnehin nur sehr wenige Marktteilnehmer ernsthaft daran glauben, dass die USA einen Default hinlegen. Die Stabilität des Finanzmarkts ist trotzdem in Gefahr, weil das massive Neuangebot an Treasuries die Investoren zu überfordern droht. Zuletzt hat das Finanzministerium seine Schätzung für die Kreditaufnahme im dritten Quartal um mehr als 250 Mrd. Dollar auf über 1 Bill. Dollar angehoben. Hintergrund ist der im Juni beigelegte Streit um die US-Schuldenobergrenze, infolgedessen die Treasury sich in der ersten Jahreshälfte kein Geld über neue Wertpapiere leihen konnte. Die ausgesetzten Emissionen müssen nun nachgeholt werden.

Neben der Erkenntnis aus dem Basismodul Volkswirtschaftslehre, dass ein Angebotsüberhang die Preise drückt und in diesem Fall die Renditen treibt, sollten Analysten die Rolle der Ratingagenturen nicht vernachlässigen. Nachdem Fitch die Kreditwürdigkeit der USA zuletzt von "AAA" auf "AA+" herabstufte, winkten zahlreiche Fondshäuser beruhigend ab. Doch ist ein solches Downgrade bei weitem nicht alltäglich und beeindruckt die Investoren entsprechend.

Die volatilen Renditeanstiege sorgen dafür, dass der Treasury-Markt seinen Status als sicherer Anlagehafen einbüßt. Die Wirkung zeigt sich eindrücklich in anderen Assetklassen. Die Zinsen auf 30-jährige Festhypotheken in den USA sind laut Veröffentlichung vom Donnerstag auf 7,09% geschnellt, dies bedeutet den höchsten Stand seit 20 Jahren. Dabei macht sich einmal mehr die restriktive Geldpolitik bemerkbar, deren Ende sich so schnell nicht abzeichnet.

Die Treasury-Renditen haben vielmehr noch Raum zum Klettern, da sie trotz des jüngsten 15-Jahres-Schlusshochs weit unter den kurzfristigen Zinssätzen liegen. Die Investoren an der Wall Street dürften dadurch gezwungen sein, ihre umfangreichen Wetten auf der Basisannahme steigender Anleihekurse abzuwickeln – mit neuerlichen Verwerfungen an den Finanzmärkten als Folge.

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