Riskantes Spiel gegen Mr. Monopoly
Big Tech
Riskantes Spiel gegen Mr. Monopoly
Um die Marktmacht der Tech-Riesen zu brechen, sind radikale Maßnahmen notwendig. Kartellregulatoren müssen dafür mit schweren Konsequenzen leben.
Von Alex Wehnert
Die Vereinigten Staaten stehen vor einer einzigartigen Gelegenheit, die Marktmacht von Big Tech zu begrenzen und den freien Wettbewerb zu stärken. Nachdem die Kartellregulierung in den vergangenen Jahrzehnten daran gescheitert ist, den Größen des Silicon Valley Einhalt zu gebieten, müssen sie allerdings bereit sein, einen hohen Preis zu zahlen, um Monopolstellungen aufzubrechen. Eine Zerschlagung der Alphabet-Tochter Google, die seit Monaten im Raum steht, droht schwere politische und ökonomische Konsequenzen zu entfalten.
Unrechtmäßige Unterdrückung des Wettbewerbs
Vor einem Jahr urteilte ein US-Bundesgericht, dass der Konzern aus Mountain View seine Vormachtstellung am Suchmaschinenmarkt mit illegalen Methoden aufrechterhalten habe. Dabei stimmte er dem Argument des Justizministeriums zu, gemäß dem Google Milliarden an Betreiber von Webbrowsern und Smartphone-Entwickler gezahlt habe, um die eigene Suchmaschine zur vorab eingestellten Standardanwendung zu machen. Die Praxis stelle eine unrechtmäßige Unterdrückung des Wettbewerbs dar. Marktteilnehmer harren auf die richterliche Entscheidung dazu, wie die Verhältnisse im Markt gerade zu rücken sind. Das US-Justizministerium drängt darauf, dass Mr. Monopoly alias Google die Kontrolle über seine Schlossstraße, den Internetbrowser Chrome, verlieren solle. Dieser kommt global auf 3,5 Milliarden Nutzer und nimmt damit ein Gewicht von über 60% im Markt ein. Alphabet ist zu einer Veräußerung natürlich nicht bereit.
CEO Sundar Pichai sagte im laufenden Jahr vor Gericht aus, dass ein solcher Schritt für die Google-Mutter enorm geschäftsschädigend wäre, den Konzern von Investitionen in neue Technologie abbringen und Sicherheitsrisiken kreieren würde. Mit allen drei Punkten dürfte der Vorstandschef zwar recht haben, gerade die ersten beiden sollten für den Richter bei seiner Entscheidung eine untergeordnete Rolle spielen.
Kleiner Kreis an potenziellen Käufern
Die entscheidende Frage lautet aber vielmehr, wer überhaupt als Käufer des Browsers infrage käme, für dessen Wert Analysten wilde Schätzungen zwischen 20 Mrd. und 50 Mrd. Dollar abgeben. Die Zahl der Adressen, die eine solche Transaktion stemmen könnte, ist äußerst überschaubar – und durch eine erzwungene Veräußerung an andere Big-Tech-Adressen würden die USA das problematische Monopol wohl einfach weiterreichen.
Zuletzt ist indes das Startup Perplexity AI mit einem 34,5 Mrd. Dollar schweren Übernahmeangebot für Chrome auf den Plan getreten. Damit hat das junge Unternehmen zwar einen cleveren Zug gespielt und dem Gericht signalisiert, dass es durchaus Käufer für die Schlossstraße gäbe. Wie Perplexity, deren KI-Suchtool eine Konkurrenzanwendung zum Google-Kernprodukt darstellt, einen Deal finanzieren will, ist allerdings nicht vollständig klar. Das bei einer Finanzierungsrunde im Juli mit 18 Mrd. Dollar bewertete Startup beruft sich auf mehrere Investoren, darunter angeblich großer Venture-Capital-Fonds, die zugesagt hätten, die Transaktion zu unterstützen.
Wenige Alternativen
Ob die Pläne belastbar sind, lässt sich derzeit kaum sagen. Und ob Perplexity oder ein anderes Startup Chrome wirklich nutzen könnte, um Google ernsthaft Paroli zu bieten, ist ebenfalls fraglich. Der Aufbau eines Werbegeschäfts, das mit dem des Suchmaschinenriesen konkurrieren könnte, würde jedenfalls viel Zeit benötigen. Zudem ist es für die USA angesichts der anhaltend großen geopolitischen Spannungen mit China kaum opportun, einen der führenden Vertreter der heimischen Wirtschaft zu schwächen.
Doch andere Maßnahmen, um das Monopol von Google aufzubrechen und damit auch ein Signal an den Rest des Big-Tech-Segments zu senden, sind allein nicht vielversprechend. Durch einen erzwungenen Stopp von Zahlungen an Anbieter wie Apple, durch die Alphabet Google zur Standard-Suchmaschine in deren Browsern macht, würde möglicherweise gewisse Marktanteilsverluste für den Konzern aus Mountain View bedeuten. Diese fielen aber nicht ausreichend ins Gewicht und würden wohl einfach bedeuten, dass Erlöse von Apple & Co. an Google zurück transferiert würden. Versprechen, mehr Kontrolle und Transparenz für Werbekunden und Verbraucher zu schaffen, haben indes erstmal wenig greifbare Folgen. Ein „Zurück auf Los“ wird angesichts der gewachsenen Strukturen von Big Tech also nicht möglich sein. Doch gilt es jede Chance zu nutzen, das Spielfeld im Tech-Sektor zu ebnen – auch wenn dies ein Vabanque-Spiel bedeutet.