Verbraucherschutz verliert an Einfluss

Starke Worte, schwache Mittel

Im Koalitionsvertrag 2025 fehlt es an klaren Finanzierungszusagen – der Verbraucherschutz verliert dadurch an Einfluss und Wirksamkeit.

Starke Worte, schwache Mittel

Verbraucherschutz

Starke Worte, schwache Mittel

Im Koalitionsvertrag 2025 fehlt es an klaren Finanzierungszusagen. Der Verbraucherschutz verliert strategisch
an Einfluss und
Wirksamkeit.

Von Wolf Brandes

Verbraucherschutz war über Jahrzehnte eine tragende Säule deutscher Politik – gestützt von unabhängigen Akteuren wie den Verbraucherzentralen, dem VZBV oder der Stiftung Warentest. Doch der Koalitionsvertrag 2025 markiert einen markanten Einschnitt: Trotz allgemeiner Bekenntnisse bleibt die strukturelle Absicherung schwach. Finanzielle Zusagen zur dauerhaften Stärkung der zentralen Verbraucherorganisationen fehlen. Das dürfte Verbände ernüchtern, die sich als gemeinnützige Organisationen und „Stimme der Verbraucher“ verstehen.

Dabei waren die Erwartungen hoch. Im Vorfeld der Bundestagswahl 2025 legte der VZBV mit „Was alle stärkt“ ein breites Maßnahmenpaket vor – über Dutzende Vorschläge von KI-Haftung bis Lebensmitteltransparenz. Auch in den Wahlprogrammen wurde Verbraucherschutz prominent platziert: Die SPD versprach, Verbraucherrechte „sozial gerecht“ zu stärken, CDU/CSU betonten digitale Marktregulierung. Doch im Koalitionsvertrag fehlt ein roter Faden. Statt eines klaren Leitbilds oder verlässlicher institutioneller Förderung bleibt es bei Allgemeinplätzen – trotz expliziter Zusagen der Ampel-Regierung 2021, die Finanzierung dem „gestiegenen Bedarf“ anzupassen.

Warum also der Rückschritt? Zum einen scheiterte die Durchsetzung möglicherweise an einem unklaren Profil. Das Forderungspapier 2024 deckte zwar viele Felder ab – von Versicherungsaufsicht bis Mieterschutz –, blieb aber in der Summe eher diffus. 2021 war der Fokus prägnanter: das „Recht auf Reparatur“, digitale Klagerechte, klare Botschaften. 2025 hingegen wirkt es wie eine Wunschliste. In Zeiten knapper Haushalte braucht es aber klare, verhandelbare Prioritäten.

Zweitens: die öffentliche Sichtbarkeit. Zwar genießen Verbraucherorganisationen laut Umfragen hohes Vertrauen – deutlich höher als Parlamente oder Ministerien. Doch 2024 fehlte eine mobilisierende Kampagne. Weder wurde der Widerspruch zwischen Wahlprogrammen und Forderungen öffentlich klar markiert, noch gelang es, eine medienwirksame Debatte zu initiieren. Während Klima-, Sozial- und Digitalverbände in Talkshows und Feuilletons präsent waren, blieb der Verbraucherschutz auffällig abwesend.

Ein dritter Grund ist die fehlende Übersetzung politischer Zusagen in strukturelle Stärkung. CDU/CSU kündigten faire Regeln für digitale Plattformen an – doch ohne Ressourcen für Marktbeobachtung, Abmahnpraxis oder Rechtsdurchsetzung bleibt dies bloßes Symbol. Auch die SPD hatte „verlässliche Verbraucherpolitik“ versprochen – konkret umgesetzt wurde sie nicht. Der Verzicht auf Förderzusagen für VZBV, Warentest oder die Landeszentralen ist kein Detail, sondern ein inhaltliches Signal: Verbraucherschutz bleibt geduldet, wird aber gemessen am Koalitionsvertrag nicht mehr aktiv getragen.

Dabei ist seine Relevanz weiter hoch. Ob Energiekrise, KI oder Greenwashing – Verbraucher sind mit Märkten konfrontiert, deren Komplexität zunimmt. Wer hier Orientierung und Schutz bieten will, braucht Handlungsspielräume, Personal, Technik – nicht nur Appelle. Und wer andererseits Marktkräfte setzt, muss zumindest deren Regulierung verlässlich finanzieren.

Das gilt besonders im Finanzbereich: Skandale wie Wirecard oder Intransparenz bei Provisionen und Anlageprodukten zeigen, wie dringend unabhängige Marktbeobachtung wären. Gerade im Banken- und Versicherungssektor, wo Verbraucher strukturell unterlegen sind, wären gestärkte Strukturen essenziell – doch finanzielle Planungssicherheit für die Organisationen fehlt.

Der Koalitionsvertrag 2025 steht für einen Paradigmenwechsel: kein Rückbau des Verbraucherschutzes auf dem Papier, aber ein Rückzug bei finanziellen Zusagen. Für die Verbände bedeutet das vermutlich: Strategien überdenken. Weniger breite Agenden, mehr politische Kante. Sichtbarkeit schaffen – und gezielt Konflikte markieren. Wer zwischen Klimabudget und Rüstungsetat Gehör finden will, muss nicht nur sachlich überzeugen, sondern politisch provozieren können.

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