Washington

Virginia und das Biden-Trump-Referendum

Der US-Staat Virginia wählt am kommenden Dienstag den nächsten Gouverneur. Dabei geht aber nicht nur darum, wer der nächste Regierungschef wird. Die Wahl ist zugleich ein Referendum über die Präsidentschaft Joe Bidens und die Zugkraft von Ex-Präsident Donald Trump.

Virginia und das Biden-Trump-Referendum

Es kommt selten vor, dass Gouverneurswahlen in einzelnen US-Staaten das Interesse amtierender und früherer Präsidenten wecken. Geschweige denn, dass diese sich sogar in das politische Getümmel stürzen, um ihren Favoriten zu unterstützen. Eine Ausnahme bildet aber dieses Jahr der Urnengang in Virginia, dessen Ergebnis nicht nur bestimmt, wie der nächste Regierungschef heißen wird. Der Wahlausgang in dem wohl liberalsten der US-Südstaaten ist zugleich ein Referendum über die Präsidentschaft von Joe Biden und wird auch einiges aussagen über die Zugkraft, die Ex-Präsident Donald Trump noch bei republikanischen Wählern hat. Das Ergebnis könnte somit ein wichtiger Vorbote der 2022 anstehenden Kongresswahlen sein. Verliert der favorisierte Demokrat Terry McAuliffe (64) gegen den konservativen Investmentbanker und politischen Neuling Glenn Youngkin (54), dann hätten die Republikaner gute Chancen, im November nächsten Jahres in beiden Kongresskammern die Mehrheiten zurückzuerobern.

An der Grenzlinie zwischen den konservativen Südstaaten und den liberaleren Staaten an der nördlichen Atlantikküste ist Virginia ein politisches Hybrid. Im Norden des Staats, wo in den wohlhabenderen und dicht bevölkerten Vororten der US-Hauptstadt Washington vor allem gut verdienende Akademiker leben, werden traditionell Demokraten gewählt. Von der südlich gelegenen Hauptstadt Richmond abgesehen geben aber in ländlichen Gegenden konservative Republikaner den Ton an, von denen viele bis heute glauben, dass der wahre Sieger der letzten Präsidentschaftswahl Donald Trump heißt.

Zwar hatte es im Sommer noch den Anschein, als würde McAuliffe, der bereits von 2014 bis 2018 Gouverneur war, der Sieg kaum zu nehmen sein. Der gemäßigte Demokrat, ein Freund der Clintons, Obamas und Bidens, hatte seinen Gegner mit Erfolg als Trump-Marionette gebrandmarkt, der vergangenen November in Virginia eine peinliche Schlappe hinnehmen musste. Wie auch Trump ist Youngkin ein Abtreibungsgegner, lehnt schärfere Waffenkontrollen ab und meint, dass es Ärzten und Krankenhauspersonal überlassen sein sollte, ob sie sich gegen das Coronavirus impfen lassen.

Während der vergangenen Wochen hat sich aber das Blatt gewendet. In erzkonservativen Bezirken hält der frühere CEO der Carlyle Group, der den Wahlkampf größtenteils aus seinem immensen Privatvermögen bestreitet, Trumps Basis bei Laune, indem er über das Recht auf Waffenbesitz referiert, aus der Bibel zitiert und McAuliffe, der schärfere Waffengesetze fordert, vorwirft, „schwach im Kampf gegen die Kriminalität und daher zu gefährlich für Virginia“ zu sein. Auch hat Youngkin einen wunden Punkt bei seinem Gegner entdeckt: McAuliffe setzt sich nämlich dafür ein, dass Schulen im Geschichtsunterricht die rassistische Ver­gangenheit der USA akkurat wiedergeben.

Republikaner und auch viele gemäßigte Demokraten stemmen sich aber gegen die Aufnahme der sogenannten „Critical Race“-Theorie, wonach Rassentrennung und Diskriminierung auch heute fest in der Gesellschaft verankert sind, in die Lehrpläne der Gymnasien. Youngkin lässt keine Gelegenheit aus, McAuliffe anzugreifen, der „Eltern verbieten würde, bei der Gestaltung des Schulunterrichts ein Mitspracherecht zu haben“.

Diese Schwäche seines Gegners, gepaart mit seinem eigenen Auftreten als engagierter Vater und erfolgreicher Finanzmanager, der sich gegenüber moderaten Republikanern von Trump distanziert und somit einen schwierigen Spagat versucht, hat den Weg gepflastert für eine fulminante Aufholjagd. In den Tagen bis zur Wahl könnten es nun zwei ehemalige und der amtierende Präsident sein, die das Zünglein an der Waage spielen. Biden und Barack Obama werben kräftig für McAuliffe. Trump und seine Vasallen wollen hingegen Youngkin den Rücken stärken. Das wiederum ist ein potenzielles Problem für den demokratischen Kandidaten. Biden ist nämlich in Wählerumfragen weit abgerutscht, während Trump sich wieder erfolgreich in Szene setzt. Unterm Strich dürfte die Gouverneurswahl in Virginia tatsächlich zu einem Referendum über Biden und Trump werden, das derzeit die ganze Nation in seinen Bann zieht.