Von der Leyen im Porzellanladen
Greenwashing
Von der Leyen
im Porzellanladen
Von Detlef Fechtner
Na klar, man kann darüber streiten, ob Europas Greenwashing-Regeln auch für Kleinfirmen gelten sollen. Die Fürsprecher bringen vor: Unternehmen sollten, nur weil sie klein sind, keinen Freischein haben, eigene, vermeintlich grüne Produkte über den gleichfarbigen Klee zu loben. Die Gegner mahnen, der Einbezug auch kleiner Betriebe führe zu Greenhushing – also dazu, dass kleine Firmen (weil sie Aufwand scheuen und Strafen fürchten) lieber verschweigen, dass ihre Produkte umweltschonender sind als die von Wettbewerbern, selbst wenn das stimmt.
Wenn die EU-Kommission also den Einbezug von Kleinfirmen in den Geltungsbereich der Green Claims Directive ablehnt, ist das nachvollziehbar. Aber wenn die EU-Behörde androht, dass sie deshalb die EU-Richtlinie zurückzieht, dann ist das übergriffig. Und es ist ziemlich riskant.
Gewiss, die EU-Verträge erlauben der EU-Kommission, einen Gesetzesvorschlag wieder einzukassieren. Aber dieses Instrument wurde ihr gegeben, um Verfahren zu beenden, die keine Aussicht auf Erfolg mehr haben, oder die sich – anders als im aktuellen Fall – völlig von der Ursprungsidee entfernt haben. Ansonsten nämlich soll sich die EU-Kommission als ehrlicher Makler zwischen Rat und Parlament verhalten, nicht als meinungsstarke dritte Partei.
Das Gefährliche am Übereifer, mit dem sich EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen gerade kleinteilig in die Verhandlungen einmischt, ist, dass sie diejenigen provoziert, auf deren Zusammenarbeit sie angewiesen ist – nämlich Liberale, Sozialdemokraten und Grüne. Die Verabredung der Christdemokraten mit diesen drei anderen Parteien, eine Art Koalition der Mitte zu bilden und sich nicht von den Stimmen nationalistischer oder extremer Kräfte abhängig zu machen, wird durch politische Sticheleien wie jetzt bei Green Claims auf eine unnötige Belastungsprobe gestellt.
Zumal von der Leyen das EU-Parlament auch an anderen Stellen vor den Kopf stößt, etwa indem sie die Rechtsbasis des Gesetzesverfahren bewusst so wählt, dass das Parlament bei der Entscheidung über den EU-Rüstungsfonds außen vor bleibt. Die EU-Kommissionschefin wäre gut beraten, Parlament und Rat nicht bei Entscheidungen zu reizen, die letztendlich zweitrangig sind – und dafür zu riskieren, die Unterstützung (und wie derzeit im Handelskonflikt zu besichtigen: sogar die Loyalität) von Abgeordneten und nationalen Regierungen in den wirklich entscheidenden Momenten zu verlieren.
Die EU-Kommission sollte Parlament und Rat nicht provozieren bei letztlich zweitrangigen Entscheidungen.