Von Interim zu Interim
Notiert in Frankfurt
Von Interim zu Interim
Von Lutz Knappmann
Vorübergehend verzogen: Im Gegensatz zu seiner eigentlichen Bedeutung entwickelt sich der Begriff „Interim“ in Frankfurts Kulturszene zum Dauerzustand. Die weit über die Stadtgrenzen hinaus renommierte Kunsthalle Schirn etwa verlässt in diesen Tagen ihr angestammtes Domizil in der Altstadt. Vorübergehend versteht sich. Das 1986 eröffnete Museum wird bis mindestens 2027 grundlegend saniert. Bis dahin zieht die Schirn ins Gebäude der ehemaligen Dondorf Druckerei im Stadtteil Bockenheim, das seinerseits für die museale Interimsnutzung gerade noch renoviert wird. Und das ohnehin nur deshalb zur Verfügung steht, weil Hausbesetzer im vergangenen Jahr seinen Abriss verhinderten.
Vermutlich ab 2026 könnte das Schauspielhaus vom zentralen Willy-Brandt-Platz in eine alte Lagerhalle im nicht ganz so zentralen Gutleutviertel umziehen. So lange zumindest, bis ein geplanter Theaterneubau unweit des bisherigen Standorts fertiggestellt ist. In dem könnte dann wiederum auch die Oper ein Interims-Domizil finden. Denn auch deren Spielstätte soll neu gebaut werden – und gemeinsam mit dem neuen Schauspiel das Herzstück einer von vielen Frankfurtern ersehnten „Kulturmeile“ bilden.
Akuter Sanierungsbedarf
Zwischen all den laufenden und geplanten Übergangs-Umzügen geht beinahe unter, dass ein weiteres, überregional angesehenes Museum, vor dem Renovierungsbedarf schlicht kapituliert hat: Das Museum für Moderne Kunst, dessen Brandschutzeinrichtungen derzeit auf einen zeitgemäßen Stand gebracht werden müssen, macht sein Haupt-Haus für die Dauer der Bauarbeiten einfach dicht.
Nicht der fortwährende Bedarf an Interims-Standorten sorgt also für Unruhe im Frankfurter Kulturleben, sondern die zugrundeliegende Ursache: Viele der beliebten Spiel- und Ausstellungsstätten sind akut sanierungsbedürftig oder, wie im Falle von Schauspielhaus und Oper, nur noch durch Abriss und Neubau zu retten.
Moderne Substanz statt neuer Konzepte
Jahrzehntelang haben Kulturinstitutionen von der Substanz leben müssen. Knappe Mittel, nachlässige Pflege und komplexe Verwaltungsprozesse haben den baulichen Nachholbedarf derart anschwellen lassen, dass im laufenden Betrieb nun nichts mehr zu machen ist. Ein Glück, dass in der strukturwandelerprobten Finanzmetropole ausreichend temporäre Ersatzflächen zur Verfügung stehen.
Ein Museum immerhin hat das sanierungsbedingte Zwangsexil nun endlich hinter sich: An diesem Sonntag eröffnet das Deutsche Architekturmuseum (DAM) seine kernsanierten Räume am Museumsufer. Nach fast vier Jahren im Interimsdomizil kehren die Ausstellungsmacher an ihren ursprünglichen Standort zurück – beinahe zwei Jahre später als geplant. Wer dort nun ein vollkommen neues Museumserlebnis erwartet, wird überrascht feststellen: Eigentlich ist im neuen DAM alles beim alten. Die allermeisten Sanierungsmaßnahmen waren unter der Oberfläche nötig. An der Substanz eben.