Notiert in Brüssel

Von wegen stille Nacht

Dänemark zählt zu den EU-Ratspräsidentschaften, die fleißig und klug sind. Derzeit ist deshalb nicht viel mit adventlicher Ruhe. Vielmehr wird ein Gesetz nach dem anderen zum Abschluss gebracht.

Von wegen stille Nacht

Notiert in Brüssel

Von wegen stille Nacht

Von Detlef Fechtner

Es gebe, so hat es einmal ein Diplomat dargestellt, vier Arten von EU-Ratspräsidentschaften. Fleißige und faule – und kluge und dumme. Wobei die schlimmste Kombination „fleißig und dumm“ sei. Das war übrigens damals seine – ausgespochen diplomatische, weil indirekte – Antwort auf die Frage, wie er die Arbeit des britischen Ratsvorsitzes bewerte. Aktuell sind die Dänen dran, noch zweieinhalb Wochen. Und es ist schon jetzt absehbar, dass ihr Halbjahr in die Kategorie „fleißig und klug“ fallen wird. Denn ihnen ist es gelungen, eine lange Reihe von Gesetzgebungsverfahren abzuschließen, indem sie zwischen den unterschiedlichen Positionen einerseits von Regierungen und andererseits von Rat und Parlament vermitteln konnten.

Allein in den vergangenen Tagen gab es keinen Tag, an dem nicht morgens über eine neue Verständigung in irgendeinem Trilog berichtet wurde. Angefangen vom Bürokratieabbau beim Lieferkettengesetz über das Pharma-Paket und die Altfahrzeug-Verordnung bis hin zum Klimaziel 2040 – gerade geht es Schlag auf Schlag, Gesetz auf Gesetz. Das liegt zum einen dran, dass die Dänen zum Ende ihrer Amtsperiode auf die Tube drücken. Aber auch daran, dass am 1. Januar Zypern übernimmt. Und da die kleinsten Staaten wie Slowenien, Malta oder eben Zypern erfahrungsgemäß nicht über die Verwaltungskapazitäten verfügen, um Kompromisstexte am laufenden Band auszuarbeiten, sind viele Mitgliedstaaten interessiert, noch rasch vor Jahresschluss einen Haken hinter bestimmte Dossiers zu kriegen. Denn sonst droht die Gefahr, dass sich der Abschluss viele, viele Monate verzögert. Zumal mit Irland und Litauen weitere kleinere EU-Mitglieder als Ratspräsidentschaften folgen.

Nächste Woche haben sich die Dänen nun auch noch vorgenommen, die heftig umstrittenen Kleinanlegerregeln fertigzuverhandeln – ein Dossier, das mangels Aussicht auf Erfolg voriges Jahr schon fast gestrichen worden war. Jetzt ist ein Sitzungsraum „open end“ reserviert. Wer die Dolmetscher für eine Nacht, die lange werden dürfte, einbestellt und Catering ordert, muss zumindest begründete Hoffnung auf einen Deal haben.

Das diplomatische Jahr (und damit auch die dänische EU-Ratspräsidentschaft) könnte freilich mit einer ganz, ganz langen Nacht enden. Denn beim EU-Gipfel Ende der neuen Woche steht das kontroverse Thema des Zugriffs auf die eingefrorenen russischen Vermögen auf der Tagesordnung – und nicht nur Bundeskanzler Friedrich Merz will mit einer Lösung des Problems, wie die Ukraine nächstes Jahr finanziert wird, in die Weihnachtspause gehen. Das dürfte eine ziemlich harte Nuss werden, denn selbst mit überwältigender Mehrheit kann niemand die Belgier zwingen, auf die in ihrem Land gelagerten Frozen Assets zuzugreifen. Von vorweihnachtlicher Ruhe kann also in Brüssel noch lange nicht die Rede sein. Die Nächte im Europaviertel sind derzeit ganz und gar nicht still. Und zumindest im EU-Ratsgebäude leuchten selbst in tiefster Nacht mehr als nur ein Lichtlein.