Wachsende Chancen
Das neue Geschäftsmodell von Eon schickt sich an, in der ersten ganz großen Krise seine Robustheit zu beweisen. Die Verwerfungen an den Energiemärkten, ausgelöst durch Putins fatalen Krieg, werden den Konzern aller Voraussicht nach später und indirekter treffen als viele andere Unternehmen in der Energiebranche. Die Risiken – Abwertung der 15,5-%-Beteiligung an Nord Stream 1 oder das schwierige Hedging in höchst volatilen Großhandelsmärkten – werden durch eine Menge Chancen kompensiert, wenn nicht gar überstrahlt. „Die Energiewende macht jetzt noch mehr Sinn“, konstatierte Eon-Chef Leonhard Birnbaum. Mit seinem Konzern will er kräftig mitmischen.
Die steigenden Energiepreise bedeuten zwar ein gewisses Risiko für Eon, da sie an die Kunden nicht immer direkt weitergegeben werden können. Indirekt nutzt die Entwicklung dem Versorger aber: Denn die nachhaltigen, effizienten Energieanlagen, die Eon im Geschäftsfeld Kundenlösungen anbietet, rentieren sich umso stärker, wenn fossile Energien immer teurer werden. Und so berichtet der Eon-Vorstand auch von einer regen Nachfrage nach Anlagen für Gewerbekunden und Wohnungsbauunternehmen sowie von privaten Hausbesitzern. Denen hat der Konzern zum Beispiel 2021 ein Viertel mehr Solaranlagen mit Batteriespeicher verkauft. Die Wachstumsraten bewegen sich hier im deutlich zweistelligen Bereich und sind damit höher als bei den restlichen Aktivitäten.
Und auch im Netzgeschäft kann Eon von einer beschleunigten Energiewende profitieren; die vielen dezentralen Erzeugungsanlagen für Erneuerbare müssen an das Netz angeschlossen werden. Die Investitionsvorhaben im Gesamtumfang von 27 Mrd. Euro bis 2026 und die damit einhergehenden mittelfristigen Finanzziele, die im November veröffentlicht worden waren, hat Eon am Mittwoch bestätigt.
Die Risiken liegen auf der Hand: Hohes Wachstum zu managen in Zeiten von Lieferengpässen für alle möglichen Vorprodukte sowie Kapazitätsproblemen bei Handwerkern ist alles andere als eine einfache Aufgabe. Eon setzt auf verstärkte Digitalisierung und kauft sich dazu in kleinen Schritten Knowhow von außen ein. Der Konzern hat sich nach einer Phase der Selbstfindung infolge der Neuordnung der deutschen Energielandschaft mächtig in Bewegung gesetzt. Die Richtung stimmt grundsätzlich, auch wenn die Finanzziele für 2022 durch den Wegfall der Atomentschädigungszahlungen nicht allzu ambitioniert wirken.