LEITARTIKEL

Warten auf bessere Zeiten

Es ist alles andere als ein Traumstart für Carsten Knobel als Konzernchef von Henkel. Seit einem halben Jahr führt der 51-Jährige den Traditionskonzern aus Düsseldorf, in dem die weit verzweigte Familie des Gründers Fritz Henkel das Sagen und die...

Warten auf bessere Zeiten

Es ist alles andere als ein Traumstart für Carsten Knobel als Konzernchef von Henkel. Seit einem halben Jahr führt der 51-Jährige den Traditionskonzern aus Düsseldorf, in dem die weit verzweigte Familie des Gründers Fritz Henkel das Sagen und die Stimmenmehrheit hat. Den Chefsessel des Persil-Herstellers und Klebstoff-Weltmarktführers hat er in einer schwierigen Phase übernommen. Erstmals seit Jahrzehnten musste ein Vorstandsvorsitzender bei Henkel wegen Erfolglosigkeit gehen. Hans Van Bylen konnte die Rolle des Taktgebers in schnelllebigen Zeiten nicht ausfüllen und räumte zum Jahreswechsel seinen Posten. Er hat nach dreieinhalb Jahren Amtszeit eine in Teilen frustrierte Belegschaft und einen signifikanten Vertrauensschaden am Kapitalmarkt hinterlassen. Mehrfach hatte der sonst so solide wirtschaftende Konzern in den Jahren 2018 und 2019 Prognosen kappen und eine anhaltende Wachstumsschwäche vor allem im Kosmetikgeschäft eingestehen müssen.Und dann kam im Frühjahr auch noch Corona. Die Pandemie erschwerte die dringend notwendigen vertrauensbildenden Maßnahmen. Eigentlich hatte Knobel Anfang März in London vor einer großen Investoren- und Analystenschar seine künftige Strategie für Henkel präsentieren wollen. Es wurde schließlich ein Livestream aus der Firmenzentrale in Düsseldorf-Holthausen. Auch die Hauptversammlung vor zwei Wochen – der zweite große öffentliche Auftritt von Knobel – fand nur virtuell statt.Immerhin: Der ehemalige Finanzchef, der mit der Hypothek zu kämpfen hat, Teil des wenig erfolgreichen Führungsteams der vergangenen Jahre gewesen zu sein, kann mehr als Zahlen. Knobel war in den Anfängen seiner Karriere auch mal Marketing-Manager und hat damals die Haarpflegemarke Taft verantwortet. Motivationsansprachen und öffentlich gezeigte Leidenschaft sind ihm nicht ganz fremd. In zwei mit Emotionen gespickten Reden im März und Juni schwor der Manager Henkels Stakeholder auf mehr Wachstum ein.Doch die vielen schönen Worthülsen sind bislang noch nicht mit viel Inhalt gefüllt worden. An der Börse spiegelt sich das wider: Seit Knobels Amtsantritt ist der Aktienkurs weiter gesunken, obwohl Henkel in der Coronakrise im industriellen Klebstoffgeschäft zwar schwächelt, aber bei Reinigern und Seifen Zuwächse erzielt. Auch der Abstand zu Wettbewerbern wie Procter & Gamble, Beiersdorf oder Unilever, die in den vergangenen, an der Börse verlorenen Jahren für Henkel davonzogen, hat sich nicht verringert.Zugegeben: Die Kurskorrektur bei Henkel braucht Zeit – ein halbes Jahr reicht da nicht. Strategisch fehlt immer noch eine überzeugende Perspektive für das Kosmetikgeschäft, das nur in Nischenmärkten wie Colorationen oder dem Geschäft mit Friseuren in der Topliga mitspielen kann. Dass Henkel dennoch die Finger von Wella gelassen hat, als das Haarpflegegeschäft zum dritten Mal binnen weniger Jahre zum Verkauf stand, ist vermutlich eine gute Entscheidung gewesen. Neben den eigenen Hausaufgaben auch noch einen Restrukturierungsfall zu bearbeiten und zu integrieren, hätte den Konzern leicht überfordern und auf Jahre partiell lähmen können.Knobel hat grundsätzlich die richtigen Themenfelder wie Digitalisierung und Nachhaltigkeit markiert. Und die grundsätzliche diversifizierte Aufstellung des Konzerns mit seinem Mix aus Konsumenten- und Industriegeschäft zeigt gerade in Krisen immer wieder ihre Stärke. Allerdings ist der Konzern in den vergangenen Monaten auch mit einigen Ungeschicklichkeiten aufgefallen. So verspricht Knobel mehr Offenheit und Transparenz und hat doch als Erstes den Berichtsumfang eingeschränkt. Nach dem ersten und dritten Quartal gibt Henkel nur noch Umsatzzahlen bekannt. Vor der Hauptversammlung begab sich Henkel außerdem erneut auf Konfrontationskurs mit institutionellen Investoren. Denen sind die stimmrechtslosen Vorzugsaktien immer mehr ein Dorn im Auge. Sich Kapital auf Vorrat nur für diese Aktiengattung genehmigen zu lassen, stieß wie schon im vergangenen Jahr auf deutliche Kritik.Es läuft noch nicht rund im Hause Henkel. Der Abstieg von Fortuna Düsseldorf, wo Henkel als Trikotsponsor auftritt und Knobel bis vor einiger Zeit als stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender fungierte, ist nun noch ein weiterer Tiefschlag. Empfindlich getroffen ist der bilanzstarke, finanziell grundsolide Konzern mit alledem noch lange nicht. Aber das Warten auf die nächste Schönwetterperiode wird allmählich lang.——Von Antje KullrichVertrauensverlust, Coronakrise, Fortuna-Abstieg – der neue Henkel-Lenker Carsten Knobel hatte keinen leichten Start auf dem Chefsessel——