Warum die Börse Tepco wieder zujubelt
Warum die Börse Tepco wieder zujubelt
Notiert in Tokio
Warum die Börse Tepco wieder zujubelt
Von Martin Fritz
Der japanische Stromversorger Tokyo Electric Power Company, bekannt unter dem Kürzel Tepco, darf rund 15 Jahre nach der Atomkatastrophe von Fukushima aller Voraussicht nach erstmals wieder ein Atomkraftwerk betreiben. Es handelt sich um den Block 6 im weltgrößten AKW-Komplex Kashiwazaki-Kariwa an Japans Westküste, der aus sieben Reaktoren mit einer Gesamtleistung von über 8 Gigawatt besteht.
Meilenstein für Atomkraft
An der Börse zogen die Aktien von Tepco seit Anfang Oktober, als sich diese Entwicklung abzeichnete, um fast die Hälfte auf den zweithöchsten Stand seit März 2011 an. Auch das vorige Hoch vom Sommer 2024 basierte teilweise auf der Erwartung, dass Tepco dieses AKW in Betrieb nehmen darf. Der Neustart wäre ein Meilenstein bei Japans Rückkehr zur Nutzung der Atomkraft, nachdem ein Erdbeben und Tsunami im März 2011 das AKW Fukushima zerstörten und eine Verstrahlung der Region verursachten.
Der zuständige Gouverneur Hideyo Hanazumi kündigte am Freitag an, die Wiederinbetriebnahme zu genehmigen. Sollte das Regionalparlament der Präfektur Niigata ihm am 2. Dezember zustimmen, wäre die letzte Hürde für einen Neustart genommen. Die Gemeinden Kashiwazaki und Kariwa signalisierten bereits ihr Einverständnis. Als frühestmöglicher Zeitpunkt gilt März 2026. Der Gouverneur begründete seinen Schritt mit der Unterstützung Tepcos durch Regierung und Atomaufsichtsbehörde.
Kein Vertrauen in Tepco
Er selbst habe kein Vertrauen, sich hundertprozentig auf dieses Unternehmen zu verlassen, meinte Hanazumi. Mit dieser Aussage wollte er nach eigenen Angaben „das Gefühl des Widerstands so gering wie möglich halten". Dennoch kam scharfe Kritik von Neustart-Gegnern. „Aus den Anhörungen und Umfragen geht klar hervor, dass derzeit rund die Hälfte bis deutlich über 60% der Bürger dem Neustart skeptisch gegenüberstehen“, erklärte Ayako Oga, Koordinatorin vom Bürgernetzwerk gegen den Neustart. „Dass der Gouverneur ohne klare Begründung dennoch seine Zustimmung gibt, erfüllt uns mit großer Wut und Enttäuschung.“
Außer Block 6 will Tepco auch Block 7 neu starten, aber erst 2029, wenn vorgeschriebene Anti-Terror-Maßnahmen vollständig umgesetzt sein sollen. Die zwei Siedewasserreaktoren der dritten Generation mit einer Leistung von jeweils 1.350 Megawatt liefen seit 1996/97, bis sie wegen Fukushima heruntergefahren wurden. Tepco besänftigte die Bewohner von Niigata mit einer Finanzzusage von 100 Mrd. Yen (550 Mill. Dollar) über zehn Jahre verteilt zur „Revitalisierung“ der regionalen Wirtschaft. Die Investition rechnet sich: Nach Tepco-Angaben erhöht der Neustart den jährlichen Nettogewinn um 100 Mrd. Yen.
Preisgünstiger Atomstrom
Der Regierung, der Tepco zu 55% gehört, ist es recht: Mehr laufende AKWs verbilligen den Strom, weil sie teures Flüssiggas als Brennstoff ersetzen, ein probates Mittel gegen die Inflation. Bisher erhielten nach dem Fukushima-Unfall 14 von 33 verbliebenen Reaktoren eine Betriebserlaubnis, aktuell produzieren 11 davon Strom.
