Washington

Washington auf dem Weg zum 51. US-Bundesstaat

Eine Initiative will Washington als Bundesstaat anerkennen lassen und ist sich sicher, das innerhalb der ersten 100 Tage von Biden zu schaffen.

Washington auf dem Weg zum 51. US-Bundesstaat

Die Debatte tobt seit Jahrzehnten: Immer wieder haben Bürger der US-Hauptstadt Washington, D.C. dafür gekämpft, dass ihr Bundesbezirk „District of Columbia“ , der nach einer poetischen Bezeichnung der USA aus dem 18. Jahrhundert benannt ist und der Jurisdiktion des Kongresses untersteht, als 51. Bundesstaat anerkannt wird. Dank einer dynamischen Generation junger Washingtoner, die der „51 for 51“-Bewegung angehören und sich unermüdlich für „D.C. Statehood“ engagieren, könnte diese Vision nun endlich Realität werden.

Der Vorstoß hat vielversprechend begonnen. So verabschiedete vor einem halben Jahr das demokratisch beherrschte Repräsentantenhaus nach mehreren gescheiterten Anläufen erstmals ein Gesetz, welches den Status des Bundesbezirks als neuen US-Staat festschreibt. Zwar besitzen die Demokraten nun auch eine Mehrheit im Senat, der ebenfalls zustimmen muss. Diese reicht allerdings nicht aus, um einen sogenannten Filibuster zu überwinden, eine endlos lange Debatte, mit der die republikanische Opposition neue Gesetze torpedieren kann.

Deswegen wollen die „51 for 51“-Lobbyisten auch Wähler außerhalb Washingtons, die bisher kein oder nur geringes Interesse an dem politischen Schicksal der Hauptstadt hatten, umwerben. Seit Monaten reisen die jungen Aktivisten quer durch die Vereinigten Staaten, treffen sich mit Vertretern der Landesparlamente, mit Studenten, Arbeitern, Lehrern sowie anderen politisch interessierten Bürgern und tragen ihre Argumente vor.

Ungerecht sei es etwa, dass Bürger der Hauptstadt zwar Bundessteuern zahlen, aber im Kongress weder durch einen Senator noch ein Mitglied im Repräsentantenhaus vertreten sind, machen sie geltend. Zwar stellt Washington, D.C. wie auch kleinere Staaten bei Präsidentschaftswahlen drei Elektoren. In der unteren Kongresskammer gibt es aber lediglich einen Sitz für die Delegierte Eleanor Holmes Norton aus Washington, und sie ist bei Gesetzesvorlagen nicht stimmberechtigt. Wie Demi Stratmon, eine Analystin beim Wirtschaftsprüfungsunternehmen Deloitte und Mitglied bei „51 for 51“, feststellt, „haben viele der Menschen außerhalb Washingtons gar keine Ahnung, dass 700000 ihrer Steuer zahlenden Landsleute keine Stimme im Kongress haben“, sagt sie. Viele hätten sich zudem gewundert, wenn sie als Touristen in die Hauptstadt gereist seien, was auf Autonummernschildern die Worte „Taxation without Representation“ bedeuteten, also „Besteuerung ohne Repräsentation“.

Stratmon und andere sind überzeugt, dass ihre Botschaft bei den diversen Gesprächspartnern an­kommt. Die Lobbyisten wissen aber auch, dass es nicht nur darum geht, Wähler erfolgreich zu umwerben, sondern vor allem Politiker. Die Republikaner lehnen die Autonomie für Washington seit Jahrzehnten konsequent ab. Auch war bis zuletzt unter den Demokraten die Begeisterung dafür, der Hauptstadt politische Autonomie zuzubilligen, ausgesprochen gedämpft.

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Das scheint sich nun aber zu ändern, folglich votierten von einer Ausnahme abgesehen sämtliche Demokraten im Repräsentantenhaus für „D.C. Statehood“. Die Parlamentarier begründen dies mit der Kräfteverteilung im Kongress, vor allem im Senat. Dorthin entsenden die an der Bevölkerung gemessen kleineren, ländlichen Staaten, etwa Wyoming, Montana, North und South Dakota, die vorwiegend Republikaner wählen, nämlich ebenso zwei Senatoren wie jeweils Kalifornien, Texas, Florida oder New York.

Auch Präsident Joe Biden hat erkannt, dass zwei Senatssitze für die zu knapp 50% afroamerikanische Hauptstadt helfen würden, auf dem Kapitolshügel zumindest ansatzweise eine Kräfteverschiebung zugunsten der Demokraten herbeizuführen. „Ich stehe hinter euch“, hat Biden Anhängern der Bewegung versprochen. Ohne Filibuster würde eine einfache Mehrheit ausreichen, um Amerikas 51. Staat zu gründen. „Mit der Rückendeckung des Präsidenten und einsichtiger Demokraten glaube ich, dass wir das während der ersten 100 Tage der neuen Regierung hinkriegen werden“, ist Aktivistin Stratmon überzeugt.