Tui

Wenig Spielraum

Die Tui verbrennt erstmals seit Beginn der Pandemie in einem Quartal kein Geld. Das Ende der Krise ist für den Reisekonzern aber noch nicht in Sicht.

Wenig Spielraum

Zum ersten Mal seit Beginn der Coronakrise im März 2020 hat der Reisekonzern Tui im dritten Quartal seines Geschäftsjahres 2020/21 kein Geld verbrannt. Ein Lichtblick für das angeschlagene, staatlich gestützte Unternehmen aus Hannover. Aber ist es auch das Ende des Tunnels, das in Anbetracht von Impffortschritten in Europa, der Aufhebung von Reisebeschränkungen in Ländern wie Deutschland, Belgien, den Niederlanden oder Polen und einem Anziehen der Buchungen auf zuletzt (11. August) 4,2 Millionen für Reisen in der aktuellen Sommersaison in Sicht kommt?

Die Aufnahme der Geschäftstätigkeit in den wichtigsten kontinentaleuropäischen Märkten, der An­stieg der touristischen Anzahlungen für gebuchte Reisen trug dazu bei, dass die Mittelzuflüsse von April bis Juni wieder höher ausfielen als die laufenden Mittelabflüsse und die Tui einen positiven Cash-flow vor Finanzierungstätigkeit von 320 Mill. Euro erreichte. Die touristischen Anzahlungen haben auch die Nettoverschuldung per Ende Juni verglichen mit dem Vorquartal um 464 Mill. Euro sinken lassen. Seine These, dass die staatlichen Reisebeschränkungen ein limitierender Faktor für den Geschäftsbetrieb seien und dass Buchungen aufgrund des großen Nachholbedarfs für Urlaubsreisen deutlich zunehmen würden, sobald die Beschränkungen fallen, sieht der Konzern zu Recht bestätigt.

Nur: Wann die Tui ihr Reiseprogramm vollständig wieder aufnehmen kann, ist weiterhin nicht absehbar. Die Branche lebt in ständiger Unsicherheit. Wie sich die Pandemie, die Impfquoten in einzelnen Ländern und die Reiseregeln entwickeln werden, ist unklar. Mutationen wie derzeit die Delta-Variante des Coronavirus lassen Sorgen um die Belebung der Geschäfte nicht kleiner werden. Bei zunehmenden Reisewarnungen wichtiger Herkunftsländer und unübersichtlichen Anordnungen von Quarantäne-Pflichten für Rückkehrer aus Hochrisikogebieten könnten die Gästezahlen in Urlaubsregionen schnell wieder einbrechen.

Dabei liegen Geschäftszahlen und Erfolgsrechnung der Tui ohnehin noch weit entfernt von ihren Ständen vor der Pandemie. So macht etwa der im Vorjahresvergleich auf 650 Mill. Euro fast verneunfachte Umsatz im dritten Quartal nicht mal 14% der Erlöse im gleichen Abschnitt 2019 aus. Bei einem gegenüber 2020 um rund 38% auf 940 Mill. Euro gesunkenen Quartalsverlust kommt der Konzern mitten im normalerweise ertragreichen Sommerhalbjahr auf eine Eigenkapitalquote von –3,6%. Nach der Kapitalerhöhung vom Januar um 509 Mill. Euro, die unter anderem dazu diente, eine im Oktober fällig werdende Anleihe vorzeitig zu tilgen, erscheinen in Anbetracht einer Nettofinanzverschuldung, die sich zum 30. Juni im Vergleich mit dem Vorjahresstichtag noch um 8,2% auf 6,4 Mrd. Euro erhöht hat, weitere Maßnahmen zur Stärkung der Bilanzstruktur unausweichlich. Für Freude bei Anlegern, die bis auf Weiteres auf Dividenden verzichten müssen, sorgt die aktuelle Konstellation bei der Tui nicht.

Den Handlungsdruck hat der Reisekonzern in den vergangenen Monaten aber durch eine Reihe von Refinanzierungsmaßnahmen und die Veräußerung eines Immobilienportfolios verringern und sich abermals Luft verschaffen können. Durch die im April platzierte Wandelanleihe über 400 Mill. Euro, eine Aufstockungsemission von 190 Mill. Euro im Juli sowie durch Erlöse aus dem im Mai angekündigten Verkauf des 49-Prozent-Anteils an dem Joint Venture Riu Hotels haben sich die liquiden Mittel und verfügbaren Kreditlinien der Tui im August verglichen mit Anfang Mai um 1,4 Mrd. auf 3,1 Mrd. Euro erhöht. Zudem gewährten 19 Banken und die staatliche KfW eine Verlängerung der Laufzeit der bereitgestellten Kreditlinien von insgesamt 4,7 Mrd. Euro um zwei Jahre bis Juli 2024. Vereinbart wurde ferner, die Überprüfung der Einhaltung der Zielwerte für die Schulden- und Zinsdeckung auch im September 2021 und März 2022 auszusetzen.

Zum Stichtag 30. Juni erkenne der Vorstand keine wesentliche Unsicherheit mehr, die bedeutsame Zweifel an der Fähigkeit des Konzerns zur Fortführung der Unternehmenstätigkeit aufwerfen kann, so die Tui in ihrem Bericht zum dritten Quartal. Die Unterstützung durch die Kreditgeber des Unternehmens stützt diesen Optimismus. Ergänzt werden muss er aber durch den Hinweis, dass der Spielraum zum Abbau der hohen Schuldenlast eng bleiben wird und weiterhin Liquiditäts- und Bilanzrisiken bestehen. Das Ende der Krise ist für den Reisekonzern bislang nicht in Sicht.