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Wenn Coolness alleine nicht mehr hilft

Berlin hat im Gegensatz zu anderen europäischen Metropolen noch immer nicht den Corona-Einbruch im Tourismus überwunden. Neue Ideen für mehr Wertschöpfung werden dringend gesucht.

Wenn Coolness alleine nicht mehr hilft

Notiert in Berlin

Wenn Coolness allein nicht mehr hilft

Von Andreas Heitker

Im vergangenen Jahr besuchten 12,7 Millionen Touristen Berlin, 5% mehr als noch 2023. Es wurden fast 31 Millionen Übernachtungen gezählt. Auch hier gab es Wachstum. Ebenso wie bei den touristischen Konsumausgaben (15,7 Mrd. Euro) und der Bruttowertschöpfung (8,7 Mrd. Euro). Auf den ersten Blick stimmen die Zahlen in einer Stadt, in der der Tourismus jedem zehnten Bewohner einen Arbeitsplatz gibt.

Das etwas größere Bild sieht anders aus: Denn im Gegensatz zu vielen anderen europäischen Metropolen hat Berlin den Corona-Schock noch immer nicht überwunden. Alle wesentlichen Eckdaten liegen noch unter dem Niveau von 2019. Bei den Gästezahlen beträgt das Minus noch 9%. In Städten wie Mailand (plus 6%), Madrid (plus 11%) oder Kopenhagen (plus 23%) sieht es da ganz anders aus. „Es zeigt sich, dass der Weg zurück zur Normalität länger dauert als erwartet“, stellte in dieser Woche die Investitionsbank Berlin (IBB) in einer Studie ernüchtert fest.

Das Kneipen- und Club-Sterben geht weiter

Der Schatten der Pandemie liegt insbesondere noch über dem Gastgewerbe, in dem es im letzten Jahr 221 Insolvenzen gab – ein Höchststand. Der Durchschnitt der Vor-Corona-Jahre lag bei 157. Und 2025 hält der Trend zum Kneipen- und Club-Sterben in der Hauptstadt unvermindert an. Preisbereinigt ist der Umsatz im Berliner Gastgewerbe gegenüber 2019 um fast ein Viertel gesunken. Der bundesdeutsche Durchschnitt liegt bei 13%. Nur Brandenburg hat in den letzten fünf Jahren einen noch heftigeren Umsatzrückgang als Berlin verbucht.

Vorschläge, wie der wichtige Wirtschaftsfaktor Tourismus in der Hauptstadt wieder gestärkt werden kann, gibt es genug. Die IBB plädiert für gezielte Investitionen in die Kulturwirtschaft. Diese präge die Unverwechselbarkeit der Stadt und bleibe „ein entscheidender Anziehungspunkt für Besucher aus aller Welt“, hieß es. Leider streicht der schwarz-rote Senat aktuell Gelder für die Kultur eher zusammen als sie auszuweiten. Die IBB verweist auch auf die Notwendigkeit einer besseren Fluganbindung, auf Auswirkungen der City Tax und das Fehlen von multifunktionalen Veranstaltungszentren, die mehr Business- und Kongresstouristen anziehen könnten.

Langfristige Trends verändern das Reisen

Strategische Überlegungen über eine langfristige „Visitor Economy“ hat gerade auch der „Think Tank Zukunft“ vorgelegt, in dem sich jetzt Vertreter lokaler Branchenverbände, von Hotels, Clubs, Gastronomie und Kultur sowie der Senatsverwaltung und seiner Marketinggesellschaft versammelt haben. In ihrem fast 70-seitigen Trendreport zeigt sich, dass mit standardisierten Touren und traditionellen Attraktionen alleine nicht mehr viel zu reißen ist. Das gleiche gilt für die Coolness als Anziehungsfaktor, von der Berlin lange profitiert hat. Heute gilt es, KI-Reisetools zu beachten, Social Media-Spots sowieso, die neue Verbindung von Arbeit und Freizeit („Bleisure“ als Mix aus Business und Leisure) oder auch dem Wunsch, einer klimawandelbedingten Hitze zu entkommen. Das Stichwort lautet „Coolcation“, die Verbindung aus cool und vacation.