Wer bremst, verliert
IAA
Wer bei E-Autos bremst, verliert
Vor der IAA haben Automobilverbände der EU einen Brandbrief geschrieben, weil das Verbrenner-Aus so nicht zu schaffen sei. Das sagt viel über Europa aber wenig über E-Mobilität.
Von Sebastian Schmid
In knapp einer Woche öffnet die Internationale Automobil Ausstellung (IAA) in München ihre Pforten. Und selten war die Krise der deutschen Autobauer so präsent. Selbst nach dem Diesel-Skandal vor zehn Jahren war die Situation nicht vergleichbar. Die Gewinne der Autobauer schrumpfen, der globale Marktanteil der hiesigen Zulieferer fällt auf den niedrigsten Stand seit 2005 und in der gesamten Industrie gehen gut bezahlte Arbeitsplätze gerade rechts wie links flöten. Aufbruchstimmung tut also dringend not.
Da kommt die IAA gerade recht. Auch wenn Deutschland nicht mehr der Nabel der automobilen Welt ist, hat sich die Zahl der Unternehmen, die sich zur Messe begeben, wieder erhöht. Gerade auf der Herstellerseite steigt das Interesse. Insgesamt sollen es 2025 rund 30 Autoproduzenten sein, die in München ihre Zelte aufschlagen. Das wäre ein Drittel mehr als vor zwei Jahren. Die Zahl der chinesischen Autobauer legt sogar um 40% zu. Sie werden auf der IAA wieder überwiegend E-Autos präsentieren, die zwar im Handel oft noch unter ferner liefen spielen, aber technologisch bereits in der Champions League angekommen sind.
Die Warnung europäischer Autoverbände an die EU, dass die Ziele für das Verbrenner-Aus zu ambitioniert gewählt sind, haben E-Auto-Skeptiker willkommen aufgenommen. Auch das Aus der Porsche-Batterieproduktion zahlt auf das Narrativ einer ausbleibenden Technologie-Revolution ein. Doch die Hersteller zweifeln gar nicht an, dass die E-Antriebe im Pkw technologisch überlegen sind. Vielmehr kommt ihnen der Ausbau der Infrastruktur zu schleppend voran. Auch sind die Kosten in Europa noch zu hoch. Die Absatzentwicklung zeigt daher eine Welt der unterschiedlichen Transformationsgeschwindigkeiten. Im ersten Quartal lag der Anteil rein batterieelektrischer Autos (BEV) in China bei mehr als einem Viertel, in Europa waren es 16% und in den USA 8%.
Dass sich solche Trends drehen, be- und entschleunigen können, haben die vergangenen Jahre gezeigt. Die Erwartungen für den europäischen Markt waren lange optimistischer – basierend auf Plänen der EU-Kommission –, die Erwartungen für China hingegen zurückhaltender. Wie schnell es mit der E-Revolution gehen kann, zeigt Norwegen. 2016 lag der BEV-Marktanteil dort bei 15,5%. Seitdem ist er sukzessive gestiegen bis auf 89% im vergangenen Jahr. Im Juli 2025 betrug der BEV-Anteil an den Neuzulassungen schon 97%. Das Verbrenner-Aus in Norwegen ist faktisch vollzogen.
Die letzte große Argument der Benziner- und Diesel-Fans existiert eigentlich nur noch auf dem Papier: die lange Ladedauer verglichen mit der Zeit für einen Tankstopp. Denn der Batterieweltmarktführer CATL hat unlängst eine Batterie vorgestellt, die binnen fünf Minuten gut 500 Kilometer Reichweite nachladen kann. Eine Studie der PWC-Beratungstochter Strategy& geht davon aus, dass es bis 2030 üblich sein wird, rund 400 Kilometer Reichweite in zehn Minuten nachzuladen. Angesichts der im Alltag ausbleibenden Fahrten zu weit entfernten Tankstellen dürfte dem E-Auto damit auch auf dem platten Land ein Siegeszug bevorstehen – sobald das Preisniveau unter das der Verbrenner fällt.
Als glaubwürdiger Advokat für diese Entwicklung taugt BMW. Der Münchener Autobauer hat sich in den vergangenen Jahren zögerlicher zur Elektromobilität bekannt als Mercedes oder Audi. CEO Oliver Zipse betonte stets die Technologieoffenheit des Konzerns – und verkaufte dennoch mehr E-Autos als die Rivalen. Auf der Automesse in der Heimatstadt wird BMW dieses Jahr eine rein elektrische Plattform ins Zentrum rücken. Während die Konkurrenz zahlreiche Verbrenner zeigt, debütiert bei BMW der iX3, das erste Auto der so genannten „Neuen Klasse“. Mit 800 Kilometern Reichweite und einer Ladegeschwindigkeit, die selbst den Porsche Macan hinter sich lassen soll, dürfte der Erfolg vor allem eine Preisfrage werden. Mit der IAA tritt die E-Mobilität in eine neue Phase ein. Trotz allen Schwierigkeiten beim Hochlauf der E-Autos gilt mehr denn je:: Wer hier die Entwicklung bremst, wird global verlieren.