Schanghai

Wer hat Angst vor dem nassen Tiger?

Die Corona-Pandemie ist gemäß chinesischen Tierkreiszeichen im Jahr der Ratte richtig ausgebrochen, hat sich über das Jahr des Ochsens hinweggezogen und steht nun vor dem Jahr des Tigers. Was das wohl bedeuten mag, erfahren sie hier.    

Wer hat Angst vor dem nassen Tiger?

Ein flüchtiger Blick auf den chinesischen Mondkalender zeigt: Nur noch eine schlappe Woche, bis wir das überaus zähe Jahr des Ochsen hinter uns gebracht haben und uns auf wildere, dynamischere und hoffentlich auch geschmeidigere Zeiten freuen können. China begrüßt am 1. Februar ein neues Jahr, das im Tierkreiszeichen des Tigers stehen wird. Nur drei Tage später beginnen die Olympischen Winterspiele in Peking. Das klingt schon nach einem fetzigen Auftakt.

Auch ein flüchtiger Blick auf die Attribute des Tigers im auf die Tierkreiszeichen geeichten chinesischen Horoskop verheißt einiges. Die edle Raubkatze steht nämlich für Mut, Abenteuer, Optimismus, Durchsetzungskraft und Risikobereitschaft, alles Dinge, von denen man vermuten könnte, dass sie einen endlich aus dem elenden Pandemietrott herausbringen sollten. Um den astrologischen Befindlichkeiten eines Jahres genauer auf den Grund zu gehen, bedarf es noch des Abgleichs mit der traditionsreichen chinesischen Lehre der sogenannten „fünf Elemente“: Erde, Feuer, Holz, Metall und Wasser.

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Um es gleich vorwegzunehmen: Ganz so wild wird es in diesem Jahr dann doch nicht zugehen, denn für 2022 ist Wasser angesagt. Es wird uns also keinen feurigen Tiger bringen, sondern einen patschnassen. Immerhin aber ist das Element Wasser logischerweise ein Symbol für Reinigung, was Pandemie-Watcher nach dem schmuddeligen Jahr 2021 mit einem Ochsen und dem Element Erde optimistisch stimmen sollte. Vielleicht kommen wir doch noch irgendwie sauber aus der Sache heraus.

Bei der Hongkonger Investmentbank CLSA, mittlerweile ein Ableger des mächtigsten chinesischen Wertpapierhauses Citic Securities, gibt es die Angewohnheit, für jedes neue Jahr den sogenannten CLSA Feng Shui Index herauszubringen. Es handelt sich um eine nicht ganz ernst gemeinte, zumindest in abergläubischen chinesischen Finanzkreisen dennoch vielbeachtete Finanzmarktprognose mit astrologisch-horoskopischen Charakteristika. Mit der lassen sich Investmententscheidungen rund um das Geschehen an der Hongkonger Börse wesentlich einfacher treffen als mit dem mühsamen Studium der technischen Aktienanalyse mit gleitendem 200-Tage-Durchschnitt, Schulter-Kopf-Formationen und was sonst noch alles.

Da die CLSA als Wertpapierbroker vor allem der sogenannten „Buy Side“ verpflichtet ist, sind die Prognosen natürlich – unabhängig davon, welches Viehzeug gerade im Kalender an der Reihe ist – grundsätzlich von Optimismus geprägt. Diesmal lautet die Losung in etwa: „Der noble Tiger wird uns einige Schlenker und Kapriolen bringen, am Ende des wilden Rittes aber wird es mächtig aufwärts gehen.“ März und September sollen die Investoren mit besonderer Vorsicht genießen, aber in jedem Fall investiert bleiben, um den Jahresendschub voll mitnehmen zu können.

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Was einzelne Wirtschaftszweige angeht, können leidgeprüfte Lieferkettenmanager nach dem von Engpässen, Chipmangelzuständen und atemberaubend hohen Frachtkosten geprägten Ochsenjahr vielleicht ein wenig aufatmen. Tiger sind dafür bekannt, klaglos lange Strecken zurücklegen zu können und immer wieder an den richtigen Ort zurückzufinden. Das soll anscheinend auch den bilateralen Warenverkehr von großen Handelsnationen geschmeidig gestalten, sagen die Auguren. Wer weiß, vielleicht finden sogar die USA und China zu einer konfliktfreien Handelspolitik zurück.

Abgesehen davon verbindet sich mit dem diesjährigen Element natürlich jede Menge Wasser unter dem Kiel, also Gutes für die Seeschifffahrt. Das ist hoffentlich nicht so zu interpretieren, dass nur die großen Reedereien wegen weiterhin spektakulär hoher Frachtkosten vom Tigerjahr profitieren werden. Auch die pandemiegeschwächte Kreuzfahrtbranche muss wieder auf Touren kommen. In einem gelungenen Tigerjahr werden be­tuchte Rentner lange Strecken in einer schwimmenden Luxuskabine zurücklegen können, anstatt beim ersten Anlegeort im Quarantäne­käfig zu landen.