LeitartikelStrafzölle für die Schweiz

Einsame Eidgenossen

Absurd hohe Zölle, Umdeutungen von Milliardenverträgen: Donald Trump und die USA erteilen der Schweiz gerade eine pralle Lektion über Macht und Ohnmacht. Das Land lernt und passt sich an – wie immer.

Einsame Eidgenossen

Zollkrieg

Einsame Eidgenossen

Von Dani Zulauf

Absurde Zölle, missverständliche Milliardenverträge: Donald Trump und die USA erteilen der Schweiz gerade eine pralle Lektion über Macht und Ohnmacht.

Ein Unglück (wie Trump) kommt selten allein, heißt es. Der US-Präsident schockt die Schweiz gerade mit seinem absurden Importzollsatz von 39% und in Bern versteht man die Welt nicht mehr. Der vertraglich vereinbarte Fixpreis einer Flugzeugbestellung über 6 Mrd. sfr ist nach amerikanischer Lesart plötzlich ein „Missverständnis“ mit mutmaßlichen Mehrkosten in Milliardenhöhe. Manche Länder hätten die Bestellung wohl postwendend storniert. Doch für die Schweiz ist die Kündigung rechtsgültiger Verträge keine Option. Sie ist eben eine Musterschülerin.

Selbst in Washington hat man der schweizerischen Tugend ein Denkmal gesetzt. Vor dem Eingang zum US-Finanzministerium steht die Bronzestatue von Albert Gallatin. Der gebürtige Genfer hatte dem jungen Amerika zu Beginn des 19. Jahrhunderts als Finanzminister mit der bis heute längsten Amtszeit (14 Jahre) beigebracht, wie man einen Staatshaushalt ins Lot bringen und ausgeglichen führen kann.

Tiefer Graben zwischen Schweiz und USA

Doch zwischen dem haushaltspolitischen Gebaren Amerikas und der Schweiz klafft nun ein tiefer Graben. Dort ein Land, in dem die bereits hohe Verschuldung ungebremst weiter steigt. Hier ein Land, in dem seit 20 Jahren eine straffe, institutionalisierte Schuldenbremse das Parlament zu einer so strikten Ausgabendisziplin zwingt, dass sich manche Abgeordnete schon fast überflüssig vorkommen könnten. Für große Geister mit visionären Ideen ist diese Schweiz mit ihrem kleinkrämerischen Wesen ein wahrhaft unwirtlicher Ort.

Während sich die EU mit Bürgergeld auch großzügig zeigt, wenn jemand schon durch alle Maschen gefallen ist, müssen Sozialhilfeempfänger in der Schweiz mancherorts ihre Unterstützungen sofort zurückzahlen, sobald sich ihre missliche Lage zu verbessern anfängt. Nicht wenige Schweizer wünschen sich, dass ihr Land mit gutem Beispiel und offenem Geldbeutel vorangeht, um der Welt neue Wege in der Klimapolitik, im Asylwesen oder sonst wo aufzuzeigen. Aber so funktioniert die Schweiz nicht. Im ständigen Bestreben, niemals die Wettbewerbsfähigkeit des eigenen Landes zu gefährden, lässt man lieber die großen Länder vorangehen, um später mit diesen gleichzuziehen. So entsteht in manchen Köpfen das Bild eines geizigen, kaltherzigen und egoistischen Landes, dessen Reichtum auf Kosten anderer geht.

Heuchlerische Aufmerksamkeit

Viel Mitleid kann die Schweiz für Trumps harte Schläge nicht erwarten. Dem Land schlägt immer viel Häme entgegen, wenn es wirtschaftliche Krisen zu überstehen hat: Wenn Banken in Schieflage geraten, die Airline gegroundet, Oligarchen gesichtet oder Steuerflüchtlinge enthüllt werden.

Diese Art von internationaler Aufmerksamkeit ist anstrengend, oft unfair und heuchlerisch – und deshalb umso ärgerlicher. Aber was wäre die Schweiz ohne ihren wirtschaftlichen Erfolg? Würde das Land ohne seine findigen Forscher und Ingenieure, seine Arbeitsmoral, seine haushälterischen Tugenden, den starken Franken und die von ihm profitierenden Banken überhaupt wahrgenommen? Eine Heidi-Schweiz gäbe zwar nirgendwo Anlass zur Häme – aber auch nirgends Anlass, diesem Land Respekt zu zollen.

Schweiz sucht Respekt über Arbeit und Disziplin

Die Schweiz ist zur Musterschülerin verdammt. Das ist nicht überall so. Italien, das Land der Renaissance und der römischen Antike, genießt allein aufgrund des reichen kulturellen Erbes ein hohes Ansehen in der ganzen Welt. Das wissen die meisten Italienerinnen und Italiener, auch wenn sie gerne klagen über ihr Land. Im Land von Goethe wäre das Selbstverständnis wohl ähnlich, wenn es im vermaledeiten 20. Jahrhundert nicht so heftig durchgeschüttelt worden wäre.

Im Bewusstsein der Schweiz ist tief verankert, dass sich der Respekt anderer nur mit Arbeit und Disziplin verdienen lässt. Das macht das Land zur Streberin, die man gerne auch mal mobbt. Aber die Volksweisheiten sagen auch: Was dich nicht umbringt, macht dich stärker. Das ist das, was dem Land nach Trumps Zollhammer passieren könnte.