LeitartikelWettstreit in der Regierung

Werben um Auslandsinvestoren fehlt Stringenz

Es sollte einfacher und nicht komplizierter werden, in Deutschland zu investieren. Die Koalition stiftet mit neuen Beratern jedoch Verwirrung.

Werben um Auslandsinvestoren fehlt Stringenz

Regierungsberater

Kampf um Auslandsinvestoren

Von Angela Wefers

Es sollte einfacher und nicht komplizierter werden, in Deutschland zu investieren. Die Koalition stiftet mit neuen Beratern Verwirrung.

Deutschland will sichtbarer werden für internationale Investoren – und interessanter. Dafür hat die Bundesregierung Rat gesucht und Experten berufen. Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) hat in der zweiten Septemberhälfte Martin Blessing als „Persönlichen Beauftragten für Investitionen in Deutschland“ eingesetzt. Im Vizekanzleramt hat Lars Klingbeil (SPD) eine Art Konkurrenzveranstaltung etabliert, nicht als One-Man-Show, sondern in größerer Dimension. Anfang September berief der Bundesfinanzminister den Investitions- und Innovationsbeirat, der Ende September seine Arbeit aufnahm. Die Agenda des Beirats blieb im Dunklen, aber seine Aufgaben hat Klingbeil klargemacht. Sie ähneln sehr denen, die Merz für Blessing vorgesehen hat. Potenzielle Investoren dürft dies eher verwirren.

Der Klingbeil-Beirat soll beraten, wie die Regierung die kreditfinanzierten 500 Mrd. Euro des Sondervermögens am besten ausgibt. Wettbewerbswirksam und innovationsfördernd soll dies sein. Der Beirat soll Hürden identifizieren, die Investitionen blockieren. Schließlich wünscht sich Klingbeil deutliche Hinweise, wo die Regierung das Zusammenspiel von öffentlichen und privaten Investitionen stärken kann. Vorsitzender des sechsköpfigen Beirats ist der Unternehmer Harald Christ. Darüber hinaus sind dort Wissenschaft, kommunale Expertise und Gewerkschaftserfahrung vereint. Christ ist politisch bestens vernetzt. Jahrzehnte war er SPD-Mitglied. Ein kürzeres Intermezzo führte ihn zur FDP. Beide Parteien verließ er enttäuscht über deren Kurs. Christ nimmt Klingbeils Äußerungen als Auftrag, um intelligente Lösungen zu ersinnen, die privates und institutionelles Kapital mobilisieren. Das Interesse ausländischer Investoren, sich in Deutschland zu engagieren, stuft Christ als hoch ein. Spätestens hier beginnt die Überschneidung zu Deutschlands Chief Investment Officer (CIO) Blessing.

Internationale Erfahrung

Der frühere Commerzbankchef Blessing und heutige Chairman des Board of Directors der Danske Bank soll im neuen Amt sein internationales Netzwerk spielen lassen. Blessing hat weitreichende Erfahrung in der Finanzbranche. Auch im Zusammenspiel mit der Politik kennt er sich gut aus: Als er 2008 an die Spitze der Commerzbank rückte, bescherte ihm die Finanzkrise den Bund als Großaktionär. Der CIO ist vom Kanzler aufgefordert, nicht nur Kapital zu mobilisieren, sondern den Sorgen von Investoren Gehör zu verschaffen. Den oft beklagten komplizierten Regeln und langen Verfahren hierzulande soll er konkrete Vorschläge zum Bürokratierückbau, für mehr Tempo sowie bessere Bedingungen entgegensetzen.

CIO und Beirat verbindet ihr ehrenamtlicher Einsatz. Eigene Geschäftsstellen sind nicht vorgesehen. Blessing dockt an die Wirtschaftsabteilung im Kanzleramt an. Er soll nicht nur mit dessen Leiter, Levin Holle, zusammenarbeiten, sondern auch mit Wirtschafts- und Finanzministerium. Christ hat Blessing eine Zusammenarbeit schon öffentlich angeboten. Der Klingbeil-Beirat ist an die Leitungsabteilung, die „L“, im Bundesfinanzministerium angebunden. Damit ist der Draht zum Minister eng. Die Kohorte der neuen Berater sollte nicht vergessen lassen, dass Deutschland mit der German Trade and Invest (GTAI) bereits eine mehr als 400 Mitarbeiter starke Standortmarketinggesellschaft hat. Ein Viertel der Beschäftigten sind im Ausland tätig. Nach Vorstellung des Kanzlers könnte die Wirtschaftsförderung jedoch besser sein: Denn Blessing soll als neuer Aufsichtsratsvorsitzender der GTAI die – dem Bundeswirtschaftsministerium zugeordnete – Gesellschaft umstrukturieren.

Gewirr von Beratern

Zu wenig ausländischen Investoren setzt die Regierung eine Menge an Beratern entgegen. Gut abgestimmt wirkt die Koalition dabei nicht. Wer nach Deutschland strebt, braucht eine Telefonnummer und eine verlässliche Anlaufstelle, nicht verschiedene mit unklaren Zuständigkeiten. Viele Berater führen zu viel Abstimmungsbedarf. Diesen Zeitverlust kann sich die Koalition nicht leisten. Es sollte einfacher und schneller werden, in Deutschland zu investieren – nicht komplizierter.