Im BlickfeldPolitisierung von Statistiken

Wirtschaftsdaten im Dienste Donald Trumps?

US-Präsident Donald Trump behauptet, dass amtliche Wirtschaftsdaten manipuliert werden, um ihn politisch zu benachteiligen. Deswegen will er sicherstellen, dass ein Loyalist künftig über die wichtigsten Zahlen wacht.

Wirtschaftsdaten im Dienste Donald Trumps?

Wirtschaftsdaten im Dienst der Politik?

US-Präsident Donald Trump schimpft über „politisch motivierte“ Eckdaten und setzt einen rechtsgerichteten Ideologen als neuen Statistikchef ein. Den Behörden setzt aber auch ein Sparkurs zu.

Von Peter De Thier, Washington

Wird US-Präsident Donald Trump künftig Amerikas statistischen Behörden ihre Zahlen in die Feder diktieren? Bei Investoren, Ökonomen, Notenbankern und Mitgliedern der demokratischen Opposition hat die Nervosität zugenommen. Sie fürchten, dass wichtige Konjunkturdaten künftig zum Gegenstand politischer Manipulation werden. Daten wie Neueinstellungen, die Arbeitslosenquote, Verbraucherpreise und das Wirtschaftswachstum.

Grundlage für Zinsbeschlüsse

Allesamt Zahlen, die als Grundlage für wichtige unternehmerische und fiskalpolitische Entscheidungen dienen. Auch verlässt sich die Notenbank seit Jahrzehnten auf amtliche Daten, um Zinsbeschlüsse zu begründen und rechtfertigen. Sollten diese Zahlen in Zukunft frei erfunden und an den politischen Zielen des Präsidenten ausgerichtet sein, dann wären die Konsequenzen verheerend. 

Die Sorgen von Experten, Anlegern und Notenbankern sind berechtigt. Schließlich schimpft Trump seit seiner ersten Amtszeit über Eckdaten, die angeblich verfälscht werden, um ihn politisch zu benachteiligen. Mit der sensationellen Entlassung der Leiterin des Büros für Arbeitsmarktstatistik (BLS) haben seine Versuche, der Öffentlichkeit „alternative Fakten“ zu verkaufen, aber eine neue und gefährliche Dimension angenommen. Wird beispielsweise die Fed keine verlässlichen Inflations- und Arbeitsmarktzahlen mehr haben, an denen sich Zinsbeschlüsse orientieren?

Umstrittene Revisionen

Vor drei Wochen hatte das BLS nämlich die Neueinstellungen für die vergangenen drei Monate kräftig nach unten revidiert. Das wiederum brachte den Präsidenten zur Weißglut. Prompt setzte er BLS-Chefin Erika McEntarfer vor die Tür. Nachfolger soll nun der Ökonom E.J. Antoni werden. Das weckt großes Misstrauen. Denn Antoni arbeitete nicht nur als Volkswirt bei dem rechtsgerichteten Thinktank Heritage Foundation. Auch war er einer der Mitverfasser des 900-Seiten langen Dokuments „Project 2025“.

Die Studie ist faktisch ein Drehbuch für Trumps zweite Amtszeit. Sie fordert zum einen die Privatisierung der Geldpolitik und eine eventuelle Abschaffung der Fed Auch stellt Project 2025 die Existenzberechtigung staatlicher Institutionen infrage, einschließlich statistischer Behörden. Das ultimative Ziel der „unitary executive theory“, die im Mittelpunkt steht: Die gesamte Staatsgewalt auf den Präsidenten zu übertragen.  

Ist auf neue Daten Verlass?

Was aber bedeutet dies für die Zukunft der Konjunkturdaten? Schließlich veröffentlicht das BLS neben den Neueinstellungen und der Arbeitslosenquote auch Inflationszahlen. Etwa den Verbraucherpreisindex, die Erzeugerpreise und die Einfuhrpreise. Kritiker argwöhnen, dass unter Antonis Ägide die Daten an den politischen Zielen seines neuen Chefs Trump ausgerichtet sein werden. So munkeln Zyniker unter den Experten, dass im Herbst das Stellenwachstum bei einer Million pro Monat liegen wird. Auch würde das BLS eine Teuerungsrate von 1% und eine Arbeitslosenquote von 3% melden. Damit wäre theoretisch der Weg frei für kräftige Zinssenkungen. Erst recht dann, wenn Trump nächstes Jahr auch einen Loyalisten an die Fed-Spitze holt.

Zu so extremen und offensichtlichen Verfälschungen wird es aller Voraussicht nach nicht kommen. Antoni, der noch vom Senat bestätigt werden muss, führt zudem sachliche Argumente ins Feld. Zum einen ist er überzeugt, dass das BLS seit der Corona-Pandemie strukturelle Veränderungen am Jobmarkt nicht ausreichend berücksichtigt. Auch stellt er fest, dass die häufig extremen Revisionen beim Stellenwachstum zu Marktverzerrungen führen.

Erster Datensatz entscheidet

„Für Schlagzeilen sorgt immer der erste Jobs-Bericht“, sagt er. Hierauf würden die Märkte reagieren. Etwa in Form von starken Kursverlusten, wenn starke Zahlen auf Überhitzung hindeuten und daraus geschlossen wird, dass die Notenbank die Zügel straffer ziehen könnte. Oder, wenn die Zahl der Neueinstellungen „zu niedrig“ ist, wie Trump nun behauptet. Werden diese Daten später deutlich korrigiert, „dann nimmt keiner mehr Notiz davon“, sagt Antoni.   

Trump sieht die Daten natürlich ausschließlich durch die politische Brille. Er produzierte kürzlich ein Plakat, das die Revisionen aus dem Kalenderjahr 2024, dem letzten Amtsjahr seines Vorgängers Joe Biden, illustriert. Demnach waren nach sämtlichen Aktualisierungen 589.000 weniger Jobs entstanden, als zunächst berichtet. Die Schlussfolgerung, die der Präsident daraus zieht: „Die Zahlen waren manipuliert, und das BLS hat das absichtlich gemacht“, meint er. Ziel der von Biden ernannten und nunmehr entlassenen McEntarfer sei es gewesen, den Jobmarkt unter dem demokratischen Präsidenten besser aussehen zu lassen. 

Berechtigte Kritik

Zwar sind die politischen Schlussfolgerungen, die Trump aus den Revisionen zieht, übertrieben. Mit ihrer Behauptung, dass die Methodologie anfällig für Fehlkalkulationen sein kann, liegen Trump und Antoni aber nicht völlig falsch. So beruht die Berechnung der Arbeitslosenquote und der Partizipationsrate auf der wöchentlichen Befragung von 60.000 Bürgern. Um das Stellenwachstum zu ermitteln, befragt das BLS 121.000 Unternehmen, staatliche Behörden und andere Arbeitgeber.

Aufgrund ihrer Antworten werden Mitglieder der privaten Haushalte als beschäftigt, arbeitslos, aber auf der Suche nach einem Job oder nicht-beschäftigt und ohne Interesse daran, zu arbeiten, eingestuft. Dabei kann es sich um Studenten und Rentner handeln. Aber auch um Personen, die ein Familienmitglied pflegen müssen oder Multimillionäre, die auf kein Erwerbseinkommen angewiesen sind.

Die Einwände richten sich zum einen gegen die Verlässlichkeit der Angaben. Denn seit der Pandemie ist sowohl der Anteil der Bevölkerung als auch der Arbeitgeber, die an den freiwilligen Umfragen teilnehmen, zurückgegangen. Unklar ist auch, ob Befragte immer akkurate und wahrheitsgetreue Angaben machen. Hinzu kommt, dass aufgrund staatlicher Sparmaßnahmen die Zahl der BLS-Mitarbeiter gesunken ist. 

Fehlerhafte Auswertung

Kritiker meinen, dass sich aufgrund der Personalprobleme bei der Auswertung der Daten Fehler einschleichen. Auch beanstanden sie, dass die Technologie aus dem 20. Jahrhundert stammt und dringend überholungsbedürftig ist. Aus diesen Mängeln braut sich Skeptikern zufolge ein perfekter Sturm zusammen, der die häufig signifikanten Revisionen notwendig macht.

Zu guter Letzt sieht sich die Behörde dem Vorwurf ausgesetzt, die Daten schon vorher bestimmten Finanzunternehmen und Investoren zur Verfügung zu stellen. Investoren, die häufig auch politisch involviert sind, und zwar sowohl auf republikanischer als auch demokratischer Seite. Diese würden folglich über Informationen verfügen, die zu Marktverzerrungen führen und Anlegern unfaire Wettbewerbsvorteile verschaffen.

Wackelt der Stuhl des BEA-Chefs?

Es geht aber um mehr als nur das BLS. Eine andere Behörde, nämlich das Bureau of Economic Analysis (BEA) publiziert ebenfalls Daten, die unternehmerisch und politisch relevant sind. Wackelt auch dort der Stuhl des Chefs Vipin Arora? Durchaus möglich ist, dass Trump auch ihn vor die Tür setzt, wenn das BEA „unpassende“ Daten auf den Markt bringt. Beispielsweise, wenn das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) „zu schwach“ oder der PCE-Preisindex, an dem die Fed ihre zinspolitischen Entscheidungen ausrichtet, „zu hoch“ ist, um den Weg für die von Trump geforderten Zinssenkungen zu bereiten.

Viele Ökonomen halten die Kritik an den Zahlen für unberechtigt. Mark Zandi, Chefvolkswirt bei Moody‘s Analytics, stellt zum einen fest, dass die Daten keiner politischen Manipulation unterliegen. Zwar mögen die BLS-Daten fehleranfällig und nicht immer perfekt sein. „Doch es sind die einzig objektiven Zahlen, die wir haben“. Mit Blick auf die jüngsten Korrekturen beim Stellenwachstum sagt er, dass „Daten immer kräftigen Revisionen unterliegen, wenn die Wirtschaft vor einem Wendepunkt steht, beispielsweise einer Rezession“.

Auch weist Zandi darauf hin, dass die Effizienzbehörde DOGE zu den Revisionen beigetragen hat. Nicht nur wegen der Entlassungen, die DOGE beim BLS durchgesetzt hat. „Oft meldet der Staat dem BLS die Beschäftigungszahlen mit Verspätung“. Also liege die Schuld an den Revisionen bei der Regierung selbst.