Berlin

Wo der Kunde kein König ist

Verbraucherschutz schreibt die schwarz-rote Regierung groß. In den Koalitionsverhandlungen nach der Wahl 2017 sicherte sich die SPD den Verbraucherschutz als Politikfeld und dockte diesen beim SPD-geführten Bundesjustizministerium an. Wer...

Wo der Kunde kein König ist

Verbraucherschutz schreibt die schwarz-rote Regierung groß. In den Koalitionsverhandlungen nach der Wahl 2017 sicherte sich die SPD den Verbraucherschutz als Politikfeld und dockte diesen beim SPD-geführten Bundesjustizministerium an. Wer allerdings als Verbraucher die Dienste eines Unternehmens mit Bundesbeteiligung in Anspruch nimmt, der muss den Status des Königs als Kunde suchen.

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Bei der Deutschen Post fing alles mit der Maus an. Die Titelheldin der beliebten Kindersendung feiert in diesem Jahr einen runden Geburtstag. Das Bundesfinanzministerium ehrt die Maus zum 50sten mit einer Briefmarke, auf der natürlich auch der blaue Elefant nicht fehlt. Wer die Gelegenheit beim Schopfe packen will, um die vom Schullockdown müden Kinder oder Patenkindern mit der Maus-Briefmarke in Schwung zu bringen, getreu dem Motto „Schreiben verbindet“, bekommt es mit der Post zu tun. Die bietet zwar einen in Coronazeiten besonders willkommenen Versand von Briefmarken samt Online- Bestellung an, aber nur für Kunden, die Zeit und Geld mitbringen. Ende des vergangenen Jahres hatte die Post ihre verschiedene Apps in einer einzigen Post&DHL-App gebündelt. Wer aber echte und keine elektronischen und ausgedruckten Briefmarken will, der wird zwischen App und Web hin und her verwiesen. Die Zeit, die man vor Corona in der Postfiliale Schlange gestanden hat, verbringt man jetzt auf dem Sofa im Wirrwarr alter und neuer Post-Apps. Schwierig wird es zudem bei der Fahndung nach früher geladenem Guthaben. Ist dies gefunden, reicht aber für den Kauf gerade nicht aus, muss eine Mindestsumme von 10 Euro geladen werden. Am Ende hat der Kunde dann mehr Guthaben als zuvor. Für eine mögliche Erstattung verlangt die Post ganz altmodisch: den Schriftweg.

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Auch das Bundesunternehmen Deutsche Telekom weiß, wie man Kunden Geld aus der Tasche zieht – in Zeiten, in denen andere Unternehmen Käufe selbst zu geringen Beträgen im Netz über elektronische Bezahlsysteme centgenau abrechnen. Selbst wenn eine automatische Aufladung veranlasst ist, nervt die Telekom Kunden mit einem Prepaid-Tarif vor jedem Anruf mit einer schleppenden Ansage: „Sie können gleich telefonieren – vorher noch ein Hinweis – auf dieser Karte sind noch X Euro und Y Cent. Bitte laden Sie Ihre Karte bald wieder auf.“ Dies lässt sich nur durch eine zusätzliche Aufladung stoppen – Mindestbetrag: 10 Euro.

Das Bundesunternehmen Deutsche Bahn geht besonders rüde mit Kunden um, die sich nicht mehr wehren können, weil sie tot sind. In Sterbefällen könnte Hinterbliebene erfahrungsgemäß jeden Vertrag des Verstorbenen sofort oder zumindest kurzfristig auflösen. Die Bahncard aber hält lang über den Tod hinaus. Nicht einen Cent erstattet das staatliche Verkehrsunternehmen, auch wenn die Karte noch Monate gültig ist. Wie verzweifelt muss ein Unternehmen sein, das so mit einem Kunden verfährt?

(Börsen-Zeitung,

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