Italien

Zeitbombe Monte dei Paschi

Die mehrheitlich staatliche Bank Monte dei Paschi di Siena steht trotz Kapitalerhöhung vor einer unsicheren Zukunft. Die Zeche zahlt wohl der Steuerzahler.

Zeitbombe Monte dei Paschi

Noch ist es zu früh, von einem Flop zu sprechen, doch die Kapitalerhöhung bei der mehrheitlich staatlichen Krisenbank Monte dei Paschi di Siena (MPS) ist denkbar schlecht gestartet. Am ersten Tag gaben die Aktien, die in der vergangenen Woche 56% ihres Wertes und binnen zwölf Monaten 91% verloren haben, weiter nach. Und die Optionsrechte für neue Anteilscheine brachen zu Beginn um 88% ein.

Wer geglaubt haben sollte, die Bank sei mit der von CEO Luigi Lovaglio in letzter Minute ausgehandelten Kapitalerhöhung um 2,5 Mrd. Euro „gerettet“, könnte sich getäuscht haben. MPS ist extrem fragil, das makroökonomische Umfeld ist miserabel und das Misstrauen der Investoren ist riesig, denn seit 2008 wurden bei diversen Kapitalerhöhungen fast 25 Mrd. Euro verbrannt. Rund 5 Mrd. Euro davon waren Geld der Steuerzahler. Lovaglio konnte die Investoren nur mit großen Zugeständnissen überreden, sich an der Kapitalerhöhung zu beteiligen. Die Banken, die Garantien übernahmen, verlangten 125 Mill. Euro an Gebühren, mehr als Monte dei Paschi an der Börse überhaupt noch wert ist. Sie beteiligten sich zudem erst, als Lovaglio Investoren gefunden hatte, die bereit waren, die Hälfte der 900 Mill. Euro zu übernehmen, die der private Sektor beisteuern muss. Auch da musste er Zugeständnisse machen. Doch mit 1,6 Mrd. Euro ist es wieder einmal der Steuerzahler, der den Großteil der Last trägt.

Der Staat hält die Bank, die eigentlich schon 2016 insolvent war, seit Jahren künstlich am Leben. Der Wert des Staatsanteils schrumpfte seit der staatlichen Kapitalspritze von 5,4 Mrd. Euro vor fünf Jahren auf 60 Mill. Euro. Zwar wurden faule Kredite abgebaut. Doch das Institut, das seit jeher ein Spielball und Selbstbedienungsladen von Politikern war, fand keinen Käufer. Zuletzt sprang im Herbst 2021 Unicredit ab, der das Risiko einer Übernahme, trotz Milliarden-Zugeständnissen des Staates, zu groß war: zu groß die Gefahr politischer Einflussnahmen, zu hoch die Kosten mit einer Aufwandsquote von 71%, zu viele faule Kredite, zu viele Staatsanleihen im Portfolio und zu hoch die Risiken in Milliardenhöhe aus Rechtsstreitigkeiten.

Die Kapitalerhöhung wäre für Lovaglio ein Etappensieg – aber nicht mehr. Der MPS-CEO will damit unter anderem den Abbau von 3500 bis 4000 Stellen finanzieren, der mit bis zu 1 Mrd. Euro zu Buche schlägt und helfen soll, die Kosten um 270 bis 300 Mill. Euro zu reduzieren. Doch das reicht nicht, und es gibt zu viele Unsicherheiten, die er nicht im Griff hat. Die Bank, die beim letzten Stresstest katastrophal abgeschnitten hat, droht zum dauerhaften Kostgänger des Staates zu werden, zu einer neuen Alitalia, die den Steuerzahler zig Milliarden gekostet hat.

Wie immer sind die Ziele zu hoch gegriffen. Lovaglio strebt für 2026 einen Nettogewinn von 833 Mill. Euro und eine Aufwandsquote von 57% an. Doch die Annahmen seines Strategieplans mit Wachstumsraten des Bruttoinlandsprodukts von mehr als 2% und einer Inflationsrate von 5% in diesem Jahr sind unrealistisch. Angesichts der eingetrübten ökonomischen Entwicklung drohen MPS in den nächsten drei Jahren Kreditausfälle von 650 Mill. Euro. Der wachsende Spread zwischen deutschen und italienischen Staatsbonds und steigende Zinsen gefährden die mit italienischen Staatsanleihen vollgesogene Bank. Nicht nur die Europäische Zentralbank, auch die Finanzaufsicht Consob, die die Kapitalerhöhung absegnete, haben erhebliche Zweifel, dass Monte dei Paschi die Ziele des Strategieplans, eine solide und robuste Rentabilität und eine Kapitalquote auf dem Niveau der Konkurrenz, erreicht.

Die fünftgrößte Bank Italiens ist eine gescheiterte Bank, die ohne staatliche Hilfen nicht lebensfähig ist. Da sie nicht systemrelevant ist, ist sie ein klassischer Fall für den europäischen Abwicklungsmechanismus. Doch ähnlich wie in früheren Fällen, etwa bei zwei venezianischen Volksbanken, wird darüber nicht einmal diskutiert.

Kurz vor dem Wechsel zu einer stark nationalistisch eingefärbten Regierung, die von einer nationalen Lösung träumt, die ohne weitere gigantische Milliardenhilfen unvorstellbar ist, wird wieder einmal versucht, auf Zeit zu spielen. Zeit, die die neue Regierung womöglich trotz der Verlängerung der Frist für die Privatisierung seitens der EU nicht mehr hat, denn die Lage bei MPS könnte womöglich schnell eskalieren. Doch es ist kaum vorstellbar, dass Europa ausgerechnet zum Amtsantritt der neuen Regierung ein Exempel statuieren wird. Vermutlich werden wieder einmal beide Augen zugedrückt. Die Rechnung zahlt der Steuerzahler, indem er nicht lebensfähige Strukturen weiter finanziert.

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