Notiert in Frankfurt

Zeitzeugen im Bismarck-Seminar

Die Frankfurter Goethe-Universität bietet so allerlei für jedes Lebensalter und Interesse. Und dann gibt es ja auch noch die VHS.

Zeitzeugen im Bismarck-Seminar

Notiert in Frankfurt

Zeitzeuge im Vormärz-Seminar

Von Detlef Fechtner

Die U3L feiert in diesem Jahr an der Frankfurter Goethe-Universität ihren 40. Geburtstag. U3 – was? U3L, die „Universität des dritten Lebensalters“, also Studienmöglichkeiten für die „jungen Alten“. Für die, die nicht mehr am Büroschreibtisch sitzen, es aber im Grunde noch könnten. Für alle, die sich mehr als „alte Hasen“ denn als „alte Knacker“ fühlen. Also diejenigen, die sich bei Udo Jürgens wiederfinden, wenn er davon singt, dass das Leben eigentlich doch erst „mit 66 Jahren“ anfängt.

Über dieses Format des Lernens im Alter sind zwar nicht alle gleichermaßen begeistert. Denn natürlich ist das Zusammenspiel von jungen Studierenden, denen es in Seminaren um den Erwerb eines Scheins geht, und Rentnern, die keine Magistertitel mehr anstreben, nicht ganz spannungsfrei. Das fängt bei der Temperatur im gemeinsamen Seminarraum („Hier zieht´s wie Hechtsuppe!“) an und hört bei der Länge von Referaten („Ich habe dazu noch 80 weitere Seiten über das Hambacher Fest vorbereitet“) längst noch nicht auf.

Reibereien gibt es vor allem im Historischen Seminar, wo der Anteil der Silberlocken unter den Studierenden traditionell relativ hoch ist – insbesondere in Veranstaltungen über Vormärz oder Bismarckzeit. Da wird manch einer der – im doppelten Wortsinn – älteren Semester schon gerne einmal als „Zeitzeuge“ verspottet. Aber: Im Großen und Ganzen genießt U3L große Wertschätzung. Hochschullehrer feiern sie als „bildungspolitisches Juwel“, als „Glücksfall“, als „lebenslanges Lernen at its best“.

Jenseits der Universität des dritten Lebensalters gibt es an der Hochschule selbstverständlich jede Menge anderer Veranstaltungen, die nicht allein jungen Studierenden vorbehalten sind, sondern in denen auch Gäste willkommen sind. Mein persönlicher Favorit: Die Vortragsserie „Interdisziplinäre Rechtsmedizin“, bei der alle erwachsenen Altersklassen recht ausgeglichen im Hörsaal vertreten sind. Ob es um den Nachweis von Drogen im Haupthaar geht oder um Knochenfunde im Stadtwald (die sich bei der Obduktion übrigens erfreulicherweise meist als Überbleibsel von Hirsch oder Reh erweisen), hier analysieren Wissenschaftler, was sonst vor allem die Boulevardpresse beschäftigt.

Auch wer Antworten auf noch entlegenere Fragen sucht, findet im offenen Programm der Goethe-Universität Angebote zur Erörterung mit Experten, beispielsweise in den kommenden Tagen bei „Herzmedizin gendern – schlagen Frauenherzen anders?“ Und manchmal bietet die Universität sogar unmittelbare praktische Lebenshilfe, etwa mit der Bürgervorlesung rund um die psychische Gesundheit bei Männern oder bei der Veranstaltung „Tipps zum Fernrohrkauf“, zu der der Physikalische Verein pünktlich zum Beginn der Adventszeit einlädt.

Selbstverständlich finden sich im umfangreichen Programm der Goethe-Universität auch zahlreiche Themen, die insbesondere für Banker oder Finanzprofis interessant sein dürften, beispielsweise zur Spieltheorie oder zu „Künstliche Intelligenz in der Leitung einer Aktiengesellschaft“.

Und wem das noch nicht reicht: Da gibt es ja schließlich auch noch die Volkshochschule mit ihren Informations- und Schulungsangeboten – von „Effektivem Zeitmanagement“ bis zu „Authentisch führen – vom Kollegen zur Führungskraft“, ebenso wie Kurse zur Analyse von Quartalsberichten von Unternehmen (ausdrücklicher Hinweis des Referenten: „Taschenrechner mitbringen!“) oder auch der granularen Auseinandersetzung mit Kursgrafiken im Seminar über Chartanalyse.

Last but not least: An der Frankfurter Volkshochschule kann man sich selbstverständlich auch eine Sprache draufschaffen. Und zwar nicht nur Englisch, Französisch oder Spanisch, sondern auch Koreanisch oder Ungarisch. Oder sogar „Besseres Deutsch“, ein Angebot extra für Deutschsprachige, die möglicherweise zu viel auf ihren Smartphones daddeln und deshalb sicherer in Wort und Schrift werden und – wie es im VHS-Programm pointierend heißt – „aus Felern lernen wollen“.

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