LeitartikelExxonMobil und Chevron

Zerstörerischer Kampf der Ölkonzerne

Der Expansionsdrang von ExxonMobil und Chevron ist trotz rückläufiger Gewinne unstillbar. Für Kartellbehörden rund um den Globus gilt es nun hellwach zu sein, um die Marktmacht der US-Riesen zu begrenzen.

Zerstörerischer Kampf der Ölkonzerne

Ölkonzerne

Zerstörerischer Kampf der Supermajors

Von Alex Wehnert

Der Expansionsdrang von ExxonMobil und Chevron ist unstillbar. Kartellbehörden müssen wach sein, um die Marktmacht der US-Riesen einzudämmen.

Angesichts der unstillbaren Gier von Amerikas Energieriesen müssen Kartellbehörden rund um den Globus hellwach sein. Denn der Rückgang der Ölpreise im laufenden Jahr bremst ExxonMobil und Chevron in ihrem globalen Expansionsdrang keineswegs. Vielmehr sehen sie sich durch die jüngste Gewinnerosion noch zu einer stärkeren M&A-Aktivität angestachelt – wobei auch die persönlichen Eitelkeiten und Ambitionen ihrer CEOs eine Rolle spielen. Darren Woods, Vorstandschef von ExxonMobil, betonte nach der jüngsten Zahlenvorlage des US-Branchenprimus vor zwei Wochen, er sehe „Gelegenheiten da draußen“, die reale Wertschöpfung statt reinem Produktionswachstum bieten könnten. Eins plus eins müsse dabei drei ergeben. 

Folgenschwerer Streit um Förderprojekt

Der Vorstandschef sieht sich nicht nur unter Zugzwang, weil der Gewinn im zweiten Quartal um 23% auf 7,1 Mrd. Dollar fiel und der freie Cashflow in der ersten Jahreshälfte von 15,04 auf 14,23 Mrd. Dollar zurückging. Investoren, für die der hohe Shareholder Return aus Rückkäufen und Dividenden – im abgelaufenen Viertel lag deren kombiniertes Volumen bei 9,2 Mrd. Dollar – eins der stärksten Argumente zum Kauf der Aktie ist, beobachten die Liquiditätsentwicklung von ExxonMobil zurecht mit Sorge. Nein, Woods steht auch unter Druck, weil sein Konzern in einem Schiedsverfahren um eins der größten Förderprojekte der Moderne den Kürzeren gezogen hat.

Denn vor der Küste Guyanas hat ein Konsortium im vergangenen Jahr über 600.000 Barrel pro Tag (bpd) produziert, 2025 soll der Output auf 940.000 bpd steigen. Beteiligt waren bisher Exxon, die chinesische CNOOC und die New Yorker Hess – deren Übernahme für 53 Mrd. Dollar Chevron nun abgeschlossen hat. Damit erhält sie Zugang zu einem 30-prozentigen Anteil an dem 2015 erschlossenen südamerikanischen Ölfeld. ExxonMobil, deren Beteiligung sich auf 45% beläuft, pochte zuvor auf ein Vorkaufsrecht für das Hess-Stück vom Kuchen. Doch die Internationale Handelskammer in Paris winkte die Akquisition von Hess durch Chevron durch, ExxonMobil fügte sich murrend.

BP als Übernahmekandidat im Fokus

Der Chevron-Aktie hat der Ausgang des Guyana-Dramas Rückenwind verliehen, zumal sich langjährige Investitionen in Projekte im texanischen Permbecken oder in Kasachstan auszuzahlen beginnen. CEO Mike Wirth, der im Oktober 65 wird, dürfte laut Branchenkennern nun nicht ruhen wollen, sondern sich noch zu einem letzten großen Deal vor seinem Abtritt motiviert sehen. 

BP, seit Monaten von Shareholder-Aktivisten unter Druck gesetzt, ist dabei zum heißen Übernahmekandidaten geworden. Die Briten wickeln ihre 2020 verkündete Strategiewende hin zum auf erneuerbare Energieprojekte fokussierten Net-Zero-Konzern inzwischen wieder ab. Stattdessen fährt BP kurzsichtig Investitionen in Öl und Gas hoch – obwohl sie Gelegenheiten, vom Preissprung nach dem russischen Angriff auf die Ukraine 2022 zu profitieren, bereits verpasst hat. Rivalin Shell hat zuletzt Berichte dementiert, gemäß denen sie sich in Gesprächen zu einer Übernahme der Konkurrentin befand. Doch hält sich im Markt die Spekulation, dass sich Exxon oder Chevron an eine Übernahme von BP oder zumindest Teilen des britischen Konzerns versuchen könnten.

Schlechte Nachrichten für Nachhaltigkeitsfreunde

Die US-Supermajors dürften sich bei ihren M&A-Ambitionen nun noch öfter anstacheln. Für Nachhaltigkeitsfreunde ist das keine gute Nachricht, ließen die Transitionspläne von ExxonMobil und Chevron doch schon vor dem Amtsantritt von US-Präsident Donald Trump stark zu wünschen übrig. Nun sorgt die Erwartung einer langsameren Energiewende und kurzfristigen Nachfragesprüngen bei Öl und Gas dafür, dass Big Oil mit verstärktem Nachdruck neuen Reserven nachjagt. Doch mittelfristig werden die „Drill, Baby, Drill“-Rufe des Trump-Lagers verhallen. Schließlich ist eine Angebotsschwemme nicht im Interesse der Supermajors, da ein weiterer Preisverfall die Liquidität und damit eine Aufstockung von Buybacks erschweren würde. Bei Chevron wiegen die Sorgen, dass der Konzern sein Rückkauftempo noch wie zuletzt durchhalten kann, bereits deutlich schwerer als bei ExxonMobil.

Das Problem: Durch die M&A-Welle im Sektor bauen die US-Riesen ihre ohnehin schon beträchtliche Marktmacht noch bedeutend aus. Den Preis dafür werden langfristig andere Industrien mit hohem Energieverbrauch zahlen. Der Kampf der Supermajors, zunächst mit enormen Schäden für Umwelt und Klima verbunden, droht also auch für Verbraucher noch zerstörerische Wirkung zu entfalten. Die US-Kartellbehörden, in den vergangenen Jahren hoch aktionistisch in anderen Sektoren unterwegs, haben es schon bei vergangenen Übernahmen auf fahrlässige Weise verpasst, ExxonMobil und Chevron Einhalt zu gebieten. Unter Trump ist von ihnen kaum ein stringenteres Vorgehen zu erwarten. Umso mehr sind Regulatoren in anderen Rechtsräumen nun in der Pflicht.