LEITARTIKEL

Zurück auf Los

Vor mehr als zwanzig Jahren hatten Jürgen Weber und Walter Deuss eine Idee. Sie wollten ihre Töchter Condor und NUR Touristik zu einem integrierten Reisekonzern vereinen. Der Lufthansa-Chef und der Vorstandsvorsitzende des Handelskonzerns Karstadt...

Zurück auf Los

Vor mehr als zwanzig Jahren hatten Jürgen Weber und Walter Deuss eine Idee. Sie wollten ihre Töchter Condor und NUR Touristik zu einem integrierten Reisekonzern vereinen. Der Lufthansa-Chef und der Vorstandsvorsitzende des Handelskonzerns Karstadt schmiedeten C&N Touristik, als Antwort auf die starke Expansion der Kombination Preussag und WestLB im touristischen Geschäft. Doch der Honeymoon der beiden Partner Condor und NUR/Neckermann währte nicht lange. 1997 gegründet, rutschte die Firma schon 2001/2002 in die erste existenzielle Krise, als die Reisebranche nach den Terrorattacken von New York in Schwierigkeiten geriet.An der Pleite vorbeigeschrammt, suchte der Konzern anschließend sein Heil in Zukäufen in Großbritannien (Thomas Cook, Mytravel), einer Börsennotiz in London und diversen Vorstandswechseln. Nichts war von durchschlagendem Erfolg gekrönt. Vielmehr sorgte vor allem das nach den Übernahmen für den Konzern wichtige Geschäft in Großbritannien mehr und mehr für Verdruss. Zudem fremdelten nun Engländer und Deutsche miteinander, während sich in der Gründungsphase des Konzerns die in den Vorstand entsandten Manager von Condor und Neckermann gezofft hatten. Notwendige strategische Weichenstellungen wurden versäumt, während das Geschäft mit Pauschalreisen immer schwieriger wurde. Einzig die Flugsparte und hier vor allem die Tochter Condor lieferte in den vergangenen Jahren verlässlich Gewinne ab. Von ihr hatte sich übrigens KarstadtQuelle unter dem damaligen Chef Thomas Middelhoff 2006 wieder trennen wollen, als der Handelskonzern dem Partner Lufthansa seinen Anteil an dem Reiseriesen abkaufte.Nach der Pleite der Thomas Cook Group sind Condor und Neckermann – die Thomas Cook Deutschland – nun wieder zurück auf Los. Beide haben die Muttergesellschaft via Insolvenz abgeschüttelt und müssen nun ihren eigenen Weg finden. Thomas Cook Deutschland ist zwar mit ihren Marken am deutschen Markt etabliert, hängt aber stark vom klassischen Pauschalreisegeschäft ab, in dem ein profitables Wirtschaften kaum noch möglich ist. Bessere Chancen hat die Fluggesellschaft Condor. Denn Condor war nicht nur für Thomas Cook unterwegs, sondern auch für andere Reiseveranstalter. Dazu kommt der Einzelplatzverkauf, den das Management in den vergangenen Jahren stark ausgebaut hat. Condor arbeitet profitabel, allerdings könnten einen möglichen Investor – als aussichtsreichster Kandidat gilt die US-Investmentgesellschaft Indigo Partners – die veraltete Flotte sowie hohe Pensionsverbindlichkeiten abschrecken. Dank des staatlichen Überbrückungskredits hat die Condor-Führung Zeit für die Partnersuche gewonnen. Der vom Preiskampf auf der Kurz- und Mittelstrecke gebeutelten Airline-Branche in Europa würde es indes guttun, wenn ein großer Player wie die Condor samt seiner Kapazitäten vom Markt verschwände.Von der Pleite des zweitgrößten europäischen Reisekonzerns profitieren werden einerseits Marktführer Tui, andererseits die vielen kleineren Anbieter wie FTI oder DER Touristik. Tui, die vor zehn Jahren ebenfalls in eine brenzlige Lage geraten war, hat sich in jüngerer Vergangenheit deutlich stabiler präsentiert als Konkurrent Thomas Cook. Unter Vorstandschef Fritz Joussen hat Tui früher und beherzter in eigene Hotelketten investiert, das stark nachgefragte Kreuzfahrtgeschäft ausgebaut und die Digitalisierung vorangetrieben. Damit hat sich der Marktführer ein ganzes Stück weit von der Abhängigkeit vom klassischen Pauschalreisesegment befreit, das mehr und mehr unter Druck steht. Das Geschäftsmodell Pauschalreise stammt aus einer Zeit, in der Urlaubsbuchungen noch etwas waren, was nicht jeder tun konnte. Mit Auftauchen des Internets aber hat sich das Reise- und Buchungsverhalten verändert, Preise von Hotels und Flügen wurden transparent. Der einzige Vorteil, den klassische Reiseanbieter heute noch ausspielen können, ist der günstigere Preis. Pauschal gebucht wird, wenn es billiger ist. Das ist Thomas Cook zum Verhängnis geworden, denn billiger bedeutet weniger Marge. Ideen dafür, das Angebot von Thomas Cook unverwechselbarer zu machen und in Kunden so die Bereitschaft zu wecken, mehr dafür zu bezahlen, hatte der letzte Chef des Reiseriesen, Peter Fankhauser, zuhauf. Einiges wurde umgesetzt, aber es war zu wenig und kam zu spät. Denn die vor allem in der Krise der Jahre 2011 und 2012 angehäuften Schulden, als die Banken die Firma vor der Pleite retteten, ließen dem Unternehmen kaum Luft zum Atmen. ——Von Lisa SchmelzerDer einzige Vorteil, den klassische Reiseanbieter heute noch ausspielen können, ist der günstigere Preis. Das ist Thomas Cook zum Verhängnis geworden.——