Zwangssparen ist auch schädlich
Aktienkultur
Zwangssparen ist auch schädlich
Von Daniel Zulauf
Die arbeitsteilige Vorsorgeindustrie macht Marktwirtschaften nicht kompetitiver.
Aktiensparen lohnt sich. Das ist beileibe keine neue Erkenntnis, aber in den meisten europäischen Ländern hat sie sich offenbar noch immer kaum herumgesprochen. Glaubt man den Ergebnissen einer aktuellen internationalen Befragung des Vergleichsdienstes für Finanzprodukte, Hellosafe, sind in der Schweiz 17,6% der Haushalte oder rund 1,5 Millionen Menschen über den Aktienbesitz direkt an Unternehmen beteiligt oder halten Dividendenpapiere über freiwillige Vorsorgepläne bei Banken oder Lebensversicherungen. In Deutschland bewegt sich der Anteil gemäß Hellosafe bei 14,2%.
Über die Qualität der genannten Zahlen lässt sich selbstredend streiten. Immerhin liegen sie einigermaßen auf Linie mit jenen anderer Befragungen. Aber sind die Quoten hoch oder niedrig? Gemessen an den amerikanischen Verhältnissen, wo die selbstverantwortliche Vorsorge einen weit höheren Stellenwert genießt als in Europa, sind sie natürlich niedrig.
Aber klein sind sie auch in Europa nicht, jedenfalls nicht relativ. Seit 1984 sparen alle schweizerischen Lohnempfängerinnen und Lohnempfänger ab einem kleinen Mindestgehalt obligatorisch in einer Pensionskasse für ihr Alter. Das Ziel: Nach der Pensionierung jeder und jedem mindestens 60% des letzten Lohnes durch die Rente aus der Pensionskasse und die Rente der staatlichen Altersversicherung zu decken. Die im Deckungsverfahren operierenden Pensionskassen verwalten für ihre Mitglieder derzeit 1300 Mrd. sfr. Davon ist ein Drittel in Aktien investiert.
Dem Wettbewerb nicht förderlich
Anlagetechnisch ist dem Gedanken des Aktiensparens also durchaus Genüge getan. Doch wie viele Schweizerinnen und Schweizer wissen überhaupt, dass sie Aktionäre sind? Wahrscheinlich mehr als die 17%, aber vermutlich weniger als die Hälfte. Eine gigantische Asset-Management-Industrie kümmert sich fürsorglich um den wichtigsten Spargroschen der Schweizer Bevölkerung. Das ist nett, aber vielleicht doch nicht der Weisheit letzter Schluss für ein Land, das sich zwar zu Recht einer gut funktionierenden sozialen Marktwirtschaft rühmt, aber gern auch Selbstverantwortung und Wettbewerb großschreibt.
So wie in vielen anderen europäischen Ländern liegt auch in der Schweiz die breite Finanzbildung einigermaßen im Argen. Das führt auch in demokratischen Entscheidungsprozessen oft zu suboptimalen Ergebnissen. Man mag den Schweizer Asset-Managern gönnen, dass sie sich am Honigtopf der Pensionskassen für den Wettbewerb stärken können. Das Land wird so aber nicht kompetitiver.