Zwei-Klassen-Gesellschaft im Dax
Zwei-Klassen-Gesellschaft im Dax
Zwei-Klassen-Gesellschaft im Dax
Von Daniel Schnettler
Das Abschneiden von Deutschlands Konzernen im dritten Quartal zeigt: Die aktuelle Krise ist
auf wenige Branchen beschränkt.
Doch das kann sich
auch schnell ändern.
Die Zahl überrascht dann doch: Im dritten Quartal haben alle Dax-Konzerne zusammen 37,4 Mrd. Euro an operativem Gewinn erwirtschaftet – gut 3% mehr als im Vorjahreszeitraum. Ja, richtig gelesen, mehr Gewinn. Trotz Zollkonflikt mit den USA, Konjunkturflaute in der Heimat und einer unberechenbaren Lage rund um den Globus ist es den größten börsennotierten Unternehmen Deutschlands gelungen, mehr zu verdienen.
Wobei die Zahl, die EY errechnet hat, vor allem von der Finanzbranche getragen wird. Banken und Versicherungen verdienten satte 28% mehr. Im produzierenden Gewerbe ergibt sich ein ganz anderes Bild, insbesondere bei den deutschen Autoherstellern. Hier ist der Gewinn im dritten Quartal um 81% eingebrochen. Das ist ein doppelt so starker Rückgang wie im bereits schlechten zweiten Quartal.
„Heterogene Entwicklung bei Konzernen“
Eine „sehr heterogene Entwicklung bei den deutschen Top-Konzernen“ nennt das EY Deutschland. Das gute Abschneiden der Finanzfirmen sei bemerkenswert „vor dem Hintergrund der schwierigen konjunkturelle Lage, die letztlich alle Unternehmen zu spüren bekommen“.
Ein Teil der Erklärung ist sicherlich, dass die hiesigen Finanzkonzerne weniger abhängig von den USA und ihrer Zollpolitik sind als exportorientierte Unternehmen. Neben den Autoherstellern sind das vor allem die mittelständisch geprägten deutschen Maschinenbauer. Deren Verband VDMA wird nicht müde zu betonen, wie schwierig die Auftragslage sei und wie sehr die US-Zölle und die erratische Wirtschaftspolitik der Trump-Regierung der Branche schaden.
USA kein Wachstumsmotor mehr
Anders als früher sind die USA nicht mehr die konjunkturelle Lokomotive für Deutschlands Exportindustrie, sondern der Hemmschuh. So stellte EY in einer ähnlichen Studie für das Jahr 2022 fest: Vor allem der US-Markt treibt das Wachstum nach der Corona-Krise. Um 23% stieg damals der Gesamtumsatz in Nordamerika; im jetzt abgeschlossenen dritten Quartal schrumpfte er in der Region um 6% bei den Dax-Konzernen. Eine Ironie der Geschichte: Volkswagen und Mercedes-Benz führten im Gesamtjahr 2022 das Gewinnranking an mit jeweils mehr als 20 Mrd. Euro. BMW belegte mit 14 Mrd. Euro immerhin den fünften Platz. Heue undenkbar. VW landete zuletzt sogar in der Verlustzone.
Die Gefahr ist natürlich, dass die heutige Krise der Realwirtschaft über kurz oder lang auf die Finanzbranche überspringt: Der Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken warnte schon im Sommer vor höheren Kreditausfällen durch Insolvenzen. Entsprechend verdreifachten (!) die Genossenschaftsbanken in Summe ihre Risikovorsorge und die Gewinne schrumpften.
Gefahr für die Finanzbranche
Nun haben Volks- und Raiffeisenbanken tendenziell kleinere gewerbliche Kunden als Deutsche Bank oder Commerzbank. Doch mit dem Schließsystem-Spezialisten Kiekert – um ein namhaftes Beispiel für eine Insolvenz zu nennen – trifft die Autokrise auch erste Größen der Branche. Von einer schwindenden Kaufkraft durch Zehntausende wegfallende Stellen in der Industrie ganz zu schweigen.
Die derzeitige Krise kann aber auch glimpflich für Finanzhäuser und Realwirtschaft ausgehen. Die Analysten von JPMorgan sagen ein Gewinnwachstum der großen börsennotierten Unternehmen in der Eurozone von 15% voraus. Mehr als ein Drittel dieses Zuwachses schreiben sie der Autoindustrie zu – zugegebenermaßen von einem sehr niedrigen Niveau aus.
Gewinnwachstum 2026
Die Experten der DZ Bank rechnen für die Dax-Unternehmen in Summe ebenfalls mit circa 15% Gewinnwachstum im kommenden Jahr. Ein kleiner Wermutstropfen: Beim Blick auf die Wachstumsbranchen hebt die DZ Bank den Industrie- und Verteidigungsbereich hervor sowie die Technologie- und Finanzbranche. Auto fehlt.
