Im BlickfeldGamescom

Zwischen Gaming und Gambling

Computerspiele sind ein Giga-Geschäft. Für Investoren ist es aber gar nicht so einfach, Geld mit Gaming zu verdienen. Der Markt ist unübersichtlich und sehr zerstückelt. Auf einen Gewinner kommen viele Verlierer. Doch es gibt Möglichkeiten, das Risiko zu begrenzen.

Zwischen Gaming und Gambling

Zwischen Gaming und Gambling

Computerspiele sind ein Giga-Geschäft. Für Investoren ist es aber gar nicht so einfach, Geld mit Gaming zu verdienen. Der Markt ist unübersichtlich und sehr zerstückelt. Auf einen Gewinner kommen viele Verlierer. Doch es gibt Möglichkeiten, das Risiko zu begrenzen.

Von Philipp Habdank und Daniel Schnettler, Frankfurt

Köln – das ist Karneval, Kölsch, der „Effzeh“ und die Gamescom. Hunderttausende Zocker pilgern jedes Jahr in die rheinländische Metropole, um die neuesten Spiele und Trends zu erleben. Unter die Gaming Nerds mischen sich auch viele Finance Nerds: Wagniskapitalgeber, Private-Equity-Investoren, Fondsmanager und M&A-Berater. Sie alle suchen auf der Gamescom nach Deals.

Michael Metzger ist einer dieser Finance Nerds. Der M&A-Berater der auf Tech-Investments spezialisierten Corporate-Finance-Beratung Drake Star hat schon über 25 Gaming-Deals beraten. Auf der Gamescom ist er jedes Jahr, um für bestehende Mandate potenzielle Käufer oder Verkäufer zu finden und um neue Kontakte zu knüpfen – zu CEOs von Gaming-Firmen wie zu Investoren. Die Venture-Capital-Community sei auf der Gamescom immer gut vertreten, sagt er.

Riesiger Markt

Gaming boomt. Der Unternehmens- und Strategieberatung Bain & Company zufolge ist die weltweite Videospiele-Industrie vergangenes Jahr auf 219 Mrd. Dollar Umsatz gewachsen, ein Plus von 5%. Umsätze mit Hardware, Werbung und E-Sports sind dabei noch gar nicht eingerechnet. In Deutschland wurden in der Gaming-Branche vergangenes Jahr rund 9,4 Mrd. Euro umgesetzt, wie der Jahresbericht des Verbands der deutschen Gaming-Branche zeigt. Das seien zwar 6% weniger Gesamtumsatz als im Vorjahr, aber immer noch 50% mehr als 2019 – also vor dem Gaming-Hype der Corona-Zeit. Deutschland sei inzwischen der größte Gaming-Markt Europas und der fünftgrößte weltweit.

Wo das Geld verdient wird

Der Report verdeutlicht, wie die Spieleunternehmen vordergründig ihre Umsätze erwirtschaften. Das tun sie immer weniger mit dem initialen Verkauf von Spielen oder Konsolen, sondern mit anschließenden In-Game- und In-App-Käufen, die vom Trend zum Mobile Gaming beflügelt werden. Diese Umsätze im Folgegeschäft waren in Deutschland mit 4,6 Mrd. Euro fast fünf Mal so hoch wie mit den Spielen selbst. Deren Verkäufe spielten lediglich 921 Mill. Euro ein.

Daniel Kroeger, Portfoliomanager bei DWS, sieht den Wandel noch tiefergehender: „Bei Spielen wird das Drumherum immer wichtiger“, sagt er nach seinem Gamescom-Rundgang. „Früher haben sie nur das eine Spiel entwickelt, heute machen sie eine Serie daraus, verkaufen die Filmrechte und koppeln die Musik aus.“

Mobile Gaming

Die hohen Umsätze bedeuten aber nicht, dass Mobile Gaming damit automatisch auch profitabler ist als das traditionelle Spielegeschäft. Im Mobile Gaming habe Metzger zuletzt zwar einige große Exits gesehen, doch der Markt sei schwierig, um sich dort als Startup durchzusetzen. „In unserem letzten Global Gaming Report haben wir die unterschiedliche Performance von Gaming-Firmen untersucht. Unternehmen, die sich auf PC- und Konsolen konzentrieren, haben deutlich besser performt als Firmen, die auf Mobile Gaming setzen.“

Die Umsatzentwicklung ist dennoch eine Ableitung des veränderten Konsumverhaltens von Spielern. Diese zocken immer weniger am Rechner, sondern konsumieren Mobile-Games über das Handy. Diese sind zunächst oft kostenlos, bieten anschließend aber In-App-Käufe an, um zusätzliche Inhalte freizuschalten oder personalisierte Items zu erwerben.

Das stark wachsende Mobile Gaming spiegelt sich am M&A-Markt wider. Die Blockbuster-Deals in diesem Jahr kommen aus diesem Bereich. Im ersten Quartal übernahm der US-amerikanische Handyspiele-Entwickler Scopely für 3,5 Mrd. Dollar die Gamingsparte der Augmented-Reality-Firma Niantic, den Machern des beliebten Handyspiels Pokémon Go. Die Übernahme war der größte Gaming-Deal seit 2023, als Scopely für 4,9 Mrd. Dollar von Savvy Games geschluckt wurde.

Saudi Arabien prescht vor

Savvy ist eine Tochterfirma des saudi-arabischen Staatfonds PIF, der in den nächsten Jahren umgerechnet 38 Mrd. Dollar investieren möchte, um Saudi-Arabien zu einem Zentrum für Global Gaming zu machen. „Die Aktivitäten Saudi-Arabiens sind besonders im E-Sport bedeutend“, sagt Metzger. Das Königreich richte gerade den zweiten E-Sports Wold Cup aus mit einem Preisgeld von gut 70 Mill. Dollar. Die Verleihung findet am Wochenende nach der Gamescom in Riad statt.

Das gesamte Dealvolumen im ersten Halbjahr beziffert der „Global Gaming Report“ von Drake Star mit 5 Mrd. Dollar, verteilt auf 95 strategische M&A-Deals. Hinzu kommen weitere 260 Transaktionen im Gesamtvolumen von rund 6,5 Mrd. Dollar über sogenannte Private Placements, also Finanzierungsrunden von Gaming-Startups mit Investoren.

„Wenn ich in Spieleentwickler investiere, habe ich im Kern zwei Möglichkeiten“, sagt Portfoliomanager Kroeger. „Ich kann auf große Unternehmen mit namhaften Franchises wie Grand Theft Auto setzen. Oder ich wähle kleinere Independent-Entwickler, wo unklar ist, ob die Spiele ein Erfolg werden – dort habe ich mehr Chance, aber auch mehr Risiko.“ Im Vergleich zu seinen Private-Equity-Kollegen hat Kröger allerdings weniger Möglichkeiten zu investieren: „Die Auswahl an börsennotierten Spieleentwicklern ist sicherlich begrenzt. In Europa sind vielleicht zehn Stück für mich interessant.“

Private Equity steigt ein

Neben strategischen setzen längst auch Finanzinvestoren auf (Mobile) Gaming. Im zweiten Quartal sicherte sich die Private-Equity-Gesellschaft CVC für rund 2,5 Mrd. Dollar eine signifikante Minderheitsbeteiligung an Dream Games. Der türkische Mobile-Game-Entwickler wurde dabei mit 5 Mrd. Dollar bewertet. Im Quartal zuvor hatte Infinite eine 3 Mrd. Dollar schwere Finanzierungsrunde abgeschlossen, die den Wert der Augmented-Reality-Firma auf 12,25 Mrd. Dollar nach oben schraubte.

Die schillernden Blockbuster-Deals schönen den Gaming-Markt allerdings und verzerren das tatsächliche Bild, sowohl auf der strategischen Käuferseite, als auch bei den privaten Finanzierungsrunden. Ohne die beiden Finanzierungsrunden von Infiniate im ersten und Dream Games im zweiten Quartal beträgt das kumulierte Private-Placement-Volumen nicht mehr 6,5 Mrd., sondern nur noch rund 1 Mrd. Dollar. Gleiches Bild am strategischen M&A-Markt: Ohne den Niantic-Deal schrumpft das kumulierte Deal-Volumen im ersten Halbjahr von rund 5 Mrd. auf rund 1 Mrd. Dollar zusammen.

Die Realität ist, dass der breite Markt abseits der Mega-Deals zuletzt nicht gewachsen ist. Laut Metzger spielen Strategen am M&A-Markt historisch eine sehr wichtige Rolle. „Auf der Investmentseite haben Strategen wie Tencent ihre Frühphaseninvestitionen in den vergangenen zwei Jahren deutlich zurückgefahren und das chinesische NetEase hat neue Investitionen in westlichen Märkten vollständig eingestellt“, sagt Metzger. Das koreanische Unternehmen Krafton sei im letzten Jahr der aktivste Stratege gewesen, gefolgt von Tencent und Samsung.

Die Rolle der Börse

Die Hoffnung ist, dass sich börsennotierte Spielekonzerne stärker an den M&A-Markt wagen, wenn es ihnen besser geht. „Wenn die Börsenbewertung der Gaming-Firmen höher ist, dann sind sie offener für externes Wachstum und M&A-Deals als wenn die Aktie total am Boden ist“, sagte Metzger. Und die Performance hat sich zuletzt deutlich verbessert, wie der Drake Star Gaming Index zeigt. Er misst die Performance der größten 30 börsennotierten Spielefirmen. Im ersten Halbjahr lag der Index um 28% im Plus.

„Wir glauben, dass dies der Beginn einer neuen M&A-Welle im Gaming ist, die zu mehr Exits für Gaming VCs und zu mehr Investitionen in das gesamte Gaming-Ökosystem führen wird“, hofft Metzger. Wenn sich die großen Strategen wieder stärker hervorwagen, dann gibt es wieder mehr Ausstiegsmöglichkeiten für Venture-Capital-Investoren, die ihren Anlegern dadurch mehr Rückflüsse ermöglichen und leichter Folgefonds auflegen können. „Das wäre wichtig, denn momentan tun sich Gaming-Startups schwer, neue Finanzierungsrunden zu bekommen.“

Schwere Kapitalsuche

Insbesondere Entwicklungsstudios haben es schwer in der Mittelbeschaffung. Laut Metzger konzentrieren sich viele Investoren gerade auf Tool-, Tech- und KI-Lösungen für die Spielewelt und weniger auf Studios, die neue Spiele entwickeln. In den letzten Jahren sei zwar viel Venture Capital in Studios geflossen, doch es habe bislang nur wenige sehr erfolgreiche Exits gegeben, wie dieses Jahr bei Dream Games. „Der Exit dort war für die investierten Venture-Capital-Investoren ein riesiger Erfolg. Vor allem für Makers Fund und Balderton Capital, die dort von Anfang an dabei waren.“

Investments in Entwicklerstudios sind aus Investorensicht riskanter, weil man nie weiß, wie erfolgreich das über viele Jahre entwickelte Spiel tatsächlich wird. „Am Ende ist das ein Portfoliospiel“, sagt Metzger. Ein Investor investiere in zehn erfolgversprechende Entwicklerteams, von denen es zwei, drei oder vier überhaupt nicht schaffen würden. Bei vier oder fünf gelänge ein ordentlicher Exit und ein paar wenige gingen durch die Decke.

„Wenn sie wenig Risiko eingehen wollen, können sie in Spieleplattformen wie Roblox investieren“, sagt Fondsmanager Kröger. „Dann sind sie nicht mehr vom Erfolg eines einzelnen Titels abhängig. Oder sie gehen auf Branchengrößen wie Nintendo, die eine stabile Nutzerbasis haben.“

Dass Computerspiele per se ein gutes Investment sind, steht für DWS-Mann Kröger außer Frage. „Computerspiele sind kein Nischenthema mehr“, sagt er. „In meiner Jugend war der typische Gamer ein männlicher Teenager.“ Heute spielten auch viele Frauen und Ältere. „Das erschließt völlig neue Marktpotenziale.“