LeitartikelBaFin greift bei Turbo-Zertifikaten ein

Zwischen Schutz und Schikane

Für die BaFin sind Turbo-Zertifikate eher ein Glücksspiel als ein Anlageprodukt. Dafür fällt ihr Eingriff erstaunlich moderat aus. Doch die neuen Vorgaben sorgen dennoch für Unmut in der Branche. Banken warnen vor Friktionen, verärgerten Kunden und überzogenen Warnpflichten.

Zwischen Schutz und Schikane

Produktintervention

Zwischen Schutz und Schikane

Von Wolf Brandes

Und wieder greift die Finanzaufsicht durch. Diesmal trifft es Turbo-Zertifikate, auch Knock-out-Papiere genannt – Produkte mit hohem Hebel, die kurzfristig auf steigende oder fallende Kurse setzen. Ab Mitte 2026 gelten dafür strengere Vorgaben: eine neue verpflichtende Risikowarnung, ein halbjährlicher Wissenstest und ein Verbot von Anreizen wie Neukundenboni. Die BaFin nutzt damit eines ihrer schärfsten Instrumente – die Produktintervention. Auf diese Weise darf sie eingreifen, wenn sie gravierende Risiken für Anleger erkennt, ohne dass dafür ein Gesetz geändert werden muss.

Schaden geht in die Milliarden

Für den Eingriff der Aufsicht gibt es gute Gründe. Denn eine breit angelegte Marktuntersuchung der BaFin ergab, dass 74% der Privatanleger, die mit Turbo-Zertifikaten handelten, Verluste gemacht haben. In der Summe kamen im Untersuchungszeitraum fünf Jahre mehr als 3,4 Mrd. Euro Schaden zusammen. Für BaFin-Exekutivdirektor Thorsten Pötzsch ist das Produkt daher „näher am Glücksspiel als an einer langfristigen Vermögensanlage“.

Und dennoch wirkt das Vorgehen der Aufsicht unentschieden. Denn verboten werden die Produkte nicht. Sie bleiben für Kunden grundsätzlich zugänglich. Die Pflicht zur Risikowarnung ist zwar schärfer gefasst. Der Text ist vorgegeben: „Im Durchschnitt erleiden sieben von zehn Kleinanlegern Verluste beim Handel mit Turbo-Zertifikaten.“

Kritik bleibt verhalten

Weil der Eingriff vergleichsweise moderat ist, bleibt die Kritik aus der Branche verhalten. Der Verband der Auslandsbanken warnt vor Verzögerungen im Orderprozess. Andere sprechen von unnötiger Belastung – für Intermediäre, Emittenten, aber auch für informierte Kunden. Kanzleien verweisen auf mögliche Rückgänge im Produktspektrum. Die Übergangsfrist wurde nach der Anhörung immerhin von drei auf acht Monate verlängert – ein seltener Fall, in dem Branchenfeedback so klar wirkte.

Die BaFin bleibt auf Kurs. Bereits bei CFDs, binären Optionen oder Futures mit Nachschusspflichten hat sie die Produktintervention genutzt – mal mit dauerhaften Beschränkungen, mal mit kompletten Verboten. Rückblickend lassen sich die Eingriffe durchaus als erfolgreich bezeichnen: Märkte wurden ausgedünnt, Extremrisiken reduziert, Transparenz erhöht. Aber sie waren immer nur Teil eines größeren Aufsichtspuzzles.

Intervention ist kein Allheilmittel

Produktinterventionen sind kein Allheilmittel. Sie greifen nur bei Finanzinstrumenten – nicht aber bei Versicherungsverträgen. So war ein Eingriff bei den Restschuldversicherungen nur über einen gesetzlichen Provisionsdeckel und eine Wartefrist möglich. Beides wirkt laut BaFin-Evaluation dämpfend auf Kosten und Verkaufsdruck. Versicherer bezeichnen die Wartefrist jedoch als faktisches Verkaufsverbot.

Zudem greift das Instrument auch bei Turbo-Zertifikaten nur bedingt. Denn während der Handel in Deutschland nun schärfer reguliert wird, bleiben Schlupflöcher über ausländische Anbieter, Trading-Apps oder andere Plattformen bestehen. Eine grenzüberschreitende Lösung, etwa über die europäische Aufsicht ESMA, wäre konsequenter gewesen. Anders als der BaFin räumt die EU-Verordnung MiFIR der ESMA allerdings nur temporäre Eingriffe ein.

Pop-ups verhindern keine Zockerei

Ob die neuen Regeln wirken, wird sich zudem erst messen lassen, wenn sie gelten. Die Branche fordert bereits Evaluationsklauseln, Review-Termine und Exit-Szenarien, um Überregulierung zu vermeiden. Die BaFin braucht jährlich belastbare Zahlen zu Verlusten, Beschwerden und Verstößen, um nachzusteuern.

Es bleibt am Ende die Frage: Ist diese Produktintervention ein scharfes Schwert oder ein eher symbolischer Hieb? Die Antwort liegt irgendwo dazwischen. Die BaFin nutzt das Instrument gezielt und faktenbasiert. Das ist mehr als Symbolik – aber wer unbedingt zocken will, den bremst ein Pop-up nicht.

Für die BaFin sind Turbo-Zertifikate eher ein Glücksspiel als einer Vermögensanlage.
Dafür fällt ihr Eingriff erstaunlich moderat aus.