GesprächKarolin Schriever

„Es gibt sehr viele gute Aspekte“

Deutschlands Sparkassen können den Überlegungen der Aufsicht über ein Kleinbankenregime einiges abgewinnen. Aber DSGV-Vorständin Karolin Schriever stimmt nicht mit allem überein, sondern wirbt für Anpassungen, beispielsweise beim Schwellenwert.

„Es gibt sehr viele gute Aspekte“

Im Gespräch: Karolin Schriever

„Es gibt sehr viele gute Aspekte“

Die DSGV-Vorständin über die Überlegungen der Aufsichtsbehörden für ein Kleinbankenregime

Deutschlands Sparkassen können den Überlegungen der Aufsicht über ein Kleinbankenregime einiges abgewinnen. Aber DSGV-Vorständin Karolin Schriever stimmt nicht mit allem überein, sondern wirbt für Anpassungen, beispielsweise beim Schwellenwert.

Von Detlef Fechtner, Brüssel

Die deutschen Sparkassen stehen der Initiative der Aufsichtsbehörden, sich über ein spezifisches aufsichtliches Regime für kleine Banken Gedanken zu machen, überaus aufgeschlossen gegenüber. „Wir begrüßen die Überlegungen von BaFin und Bundesbank sehr“, erklärt Karolin Schriever, geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Deutschen Sparkassen- und Giroverbands (DSGV), im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. Das Beispiel der USA dokumentiere, dass es durchaus funktioniere, sehr große Banken anders zu regulieren als Community Banks. Das, so Schriever, sei eine Richtung, in die auch das Non-Paper von BaFin und Bundesbank weise.

Vorschlag vom September

Im September hatten BaFin-Chef Mark Branson und Bundesbank-Vorstand Michael Theurer einen Vorschlag für mehr Proportionalität in der Bankenregulierung durch Einführung eines EU-Kleinbankenregimes öffentlich gemacht. Kern des Vorschlags, der sich an Institute mit einer Bilanzsumme von weniger als 10 Mrd. Euro richtet, ist die Abschaffung der risikobasierten Kapitalanforderungen zugunsten der einfacheren Verschuldungsquote. Als alleinige Kapitalanforderung sollte sie deutlich über dem Basel-II-Mindestwert von 3% liegen.

Stimmt der DSGV allen Überlegungen zu, die die Aufsichtsbehörden in dem Papier vortragen? Nein, lautet die klare Antwort. „Es gibt sehr viele gute Aspekte. Aber es gibt auch Punkte, die die Kosten für Kreditinstitute möglicherweise erhöhen“, erläutert Schriever. Das Papier liefere Impulse für eine Debatte, aber ein europäisches Kleinbankenregime werde ihm gewiss nicht in jedem einzelnen Punkt folgen.

Leverage Ratio soll nicht dominieren

„Nehmen Sie das Beispiel Kapitalanforderungen“, sagt die DSGV-Vorständin und argumentiert: Die Sparkassen lägen, was ihr Eigenkapital angehe, aktuell sehr oft deutlich über den aufsichtlichen Mindestanforderungen. „Wir müssen darauf achten, dass die Leverage Ratio ihre Funktion als Backstop behält und nicht zum dominierenden Maßstab wird – gerade bei risikoarmen Instituten“, unterstreicht Schriever.

Auch mit Blick auf den Schwellenwert erkennen die Sparkassen Korrekturbedarf. In Bezug auf die Frage, welche Kreditinstitute unter ein Kleinbankenregime fallen sollen, möchten die Sparkassen gerne weg vom Kriterium „klein“ hin zum Kriterium „regional“. Denn es gehe schließlich um Risiken. „Und eine regionale Bank geht andere Risiken ein als eine große Bank.“ Auch Banken, die über der Schwelle einer Bilanzsumme von 10 Mrd. Euro lägen, aber ein risikoarmes, regionales Geschäftsmodell haben, sollten vom Kleinbankenregime berücksichtigt werden, fordert die Interessensvertreterin der Sparkassen-Finanzgruppe.

„Regional“ statt „klein“

Schriever ist überzeugt: Eine Orientierung am Kriterium „regional“ dürfte helfen, Unterstützung für ein Kleinbankenregime aus anderen EU-Staaten zu erhalten. „Ich halte es übrigens für sehr realistisch, in der EU Mehrheiten für ein Kleinbankenregime zu erhalten – auch wenn eine Bankenstruktur wie in Deutschland mit großer Bedeutung kleiner Banken allenfalls noch in Österreich und Italien vorzufinden ist.“

In Zusammenhang mit der 10-Mrd.Euro-Marke kommt Schriever auch auf einen anderen Schwellenwert zu sprechen. „Wir plädieren auch dafür, die 30 Mrd. Euro-Schwelle, von der an Banken unter die direkte Aufsicht der EZB fallen, auf 50 Mrd. Euro oder sogar noch höher anzuheben.“ Dabei gehe es um eine sachgerechte und zeitgemäße Abgrenzung der Aufsichtszuständigkeiten – nicht darum, Institute aus der EZB-Aufsicht herauszunehmen. Schließlich entsprächen heute 50 Mrd. Bilanzsumme dem, was man bei der Festlegung der 30 Mrd. Euro im Kopf hatte.

Man müsse aufpassen, so die DSGV-Repräsentantin, „dass wir nicht zu einer Dreiteilung kommen. Kleine Banken unter 10 Mrd. Euro, Banken von 10 bis 30 Mrd. Euro, und dann die großen. Dann hätten wir ja die nächste Komplexität schon wieder programmiert.“

„Eine gewisse Deregulierung“

Was die Vorgaben für die Kreditwirtschaft insgesamt angeht, findet es Schriever zwar „sicherlich richtig, in den Jahren nach der Finanzkrise die Regulierung zu verstärken. Aber wir müssen das nun anders fortführen.“ Regulierung sei so umfangreich und komplex geworden. Deshalb sei eine smartere Regulierung notwendig. „Und wir brauchen sogar eine gewisse Deregulierung, damit die Institute sich wieder Luft zum Atmen verschaffen können.“ Das Problem sei, dass die aktuelle Regulierung, die Risiken vermeidet, statt Risiken zu managen.

Gerade die Vorgaben auf Level zwei stellten eine große Belastung dar. „EBA, EZB, BaFin, Bundesbank – da kommt auf jedes Institut ein wahnsinnig großer Aufwand zu.“

Im Augenblick erlebe die Branche parallele Anläufe der unterschiedlichen Behörden mit dem Ziel der Vereinfachung von Vorgaben. Diese Bemühungen zahlten aber nicht auf ein gemeinsames Konzept ein. Das sollte korrigiert werden.

Anders als nach Lehman

Was das aktuelle Marktumfeld angehe, so beobachtet Schriever, dass sich die Bankenlandschaft sehr verändert habe. „Die Welt ist anders als nach Lehman.“ Big Techs, Neobanken, Nonbanks – Regulierung müsse so gestaltet sein, dass sie diesen neuen Wettbewerb berücksichtige.

Eine einmalige Chance

Brüssel habe gerade eine einmalige Chance: „Jetzt ist der Moment, um zu definieren, wie sich die EU-Kommission das Banking der Zukunft vorstellt.“ Wie solle der Wettbewerbsrahmen gestaltet werden? Welches Banking-System hätte die EU-Kommission gerne? „Ich hoffe, eine diverse Landschaft mit Verbundinstituten ebenso wie mit Großbanken“, deutet Schriever an, welche Antwort sie sich wünscht. Der Mehrwert regionaler Bankenstrukturen sei im Übrigen nicht mehr die Kontoeröffnung in der Filiale vor Ort, sondern die sozialen Kontakte, die durch die Verankerung in der Region unterstützt werden. Das sei ein Beitrag zu sozialer Gesundheit.