Katalysator für einen neuen Markt tokenisierter Finanzinstrumente
Katalysator für einen neuen Markt tokenisierter Finanzinstrumente
GASTBEITRAG
Katalysator für einen neuen Markt tokenisierter Finanzinstrumente
Von Alireza Siadat *)
Die Emission von tokenisierten Finanzinstrumenten in Deutschland hat in den vergangenen Jahren an Fahrt gewonnen, nicht zuletzt dank des Gesetzes für elektronische Wertpapiere (eWpG). Auf der Grundlage dieses Gesetzes wurde die notwendige Rechtssicherheit für Emittenten und Investoren in Deutschland geschaffen. Doch die Realität zeigt: Das Problem des fehlenden Sekundärmarkts für Kryptowertpapiere ist damit nicht gelöst. Zudem fehlt der rechtliche Rahmen für den europäischen Wirtschaftraum.
Die Marktteilnehmer warteten auf den entscheidenden regulatorischen Impuls, der die Schaffung eines international funktionierenden, liquiden Handelsplatzes ermöglicht. Es fehlte bislang an den notwendigen Akteuren, insbesondere an Market Makern und Liquiditätsprovidern, die nur bei ausreichender Attraktivität und Skalierbarkeit des Marktes an Bord kommen.
Anlegerschutz, Marktintegrität und Finanzstabilität sind zu gewährleisten
Genau hier setzt das EU-Pilotregime für DLT-Marktinfrastrukturen (Digital Ledger Technology) an. Die seit März 2023 geltende EU-Verordnung 2022/858 schafft eine „Regulatory Sandbox“, also einen von der Finanzaufsicht begleiteten Raum, in dem innovative Finanzprodukte in einem weniger regulierten Rahmen getestet werden können. Ihr Ziel ist es, die Entwicklung von auf DLT beruhenden Finanzinstrumenten unter möglichst realen Bedingungen zu erproben und gleichzeitig ein hohes Maß an Anlegerschutz, Marktintegrität und Finanzstabilität zu gewährleisten.
Chance auf liquiden Sekundärmarkt wächst
Die nun vorliegenden Vorschläge der Europäischen Kommission zur Überarbeitung des DLT-Pilot Regimes sind genau die Befreiung, die der Markt benötigt. Die vorgeschlagenen Anpassungen machen das Pilotregime zu einem potenziellen Game-Changer.
Besondere Bedeutung hat dabei die deutliche Erhöhung der Schwellenwerte. Die Obergrenze für den Gesamtwert der zugelassenen DLT-Finanzinstrumente soll von 6 Mrd. Euro auf 100 Mrd. Euro angehoben werden. Damit wird das Regime für weitaus größere Marktteilnehmer, die bisher aufgrund der Volumenbegrenzung zögerten, geöffnet. Sie ermöglicht außerdem die Skalierung von DLT-Projekten auf ein Volumen, das institutionelle Investoren und große Emittenten anspricht und so als Basis für Liquidität dient.
Beschränkungen fallen weg
Auch weitere Beschränkungen wie die Limitierung auf tokenisierte Aktien, deren Emittent eine Marktkapitalisierung von 500 Mill. Euro nicht übersteigt, sollen wegfallen. Darüber hinaus sollen grundsätzlich alle MiFID-II-Finanzinstrumente sowie ihre Derivate im Rahmen des Pilotregimes gehandelt werden dürfen.
Dies beseitigt ein zentrales Hindernis für die Diversifizierung. Die Einbeziehung aller Wertpapierarten schafft die notwendige Produktvielfalt, um eine breitere Masse an Investoren anzuziehen und verschiedene Anlagestrategien zu ermöglichen. Das wiederum ist eine essenzielle Voraussetzung, um Liquidität zu generieren.
Die aktuellen Anpassungen adressieren die bisherigen Bedenken der Marktteilnehmer. Damit schaffen sie die notwendige kritische Masse an Handelsvolumen und Produktvielfalt, die Liquiditätsanbieter, Emittenten und nicht zuletzt Investoren, anzieht.
Das globale Rennen ist eröffnet
Der weltweite Wettlauf um die effizienteste Kapitalmarkt-Infrastruktur ist bereits in vollem Gange: In den USA gibt es starke Signale, dass die Zukunft der Handelsplätze auf DLT basiert – so wurde beispielsweise die Handhabung von tokenisierten Vermögenswerten für Finanzinstitute erleichtert. Der amtierende SEC-Vorsitzende Paul Atkins sieht die DLT-basierte Modernisierung der Märkte als notwendigen nächsten Schritt zur Effizienzsteigerung und Rechtssicherheit. Damit schlagen die USA einen ähnlichen Weg ein wie Europa. Die Tokenisierung und DLT werden sehr wahrscheinlich nicht nur den Handel verändern, sondern die gesamte Beziehung zwischen Emittenten und Investoren straffen.
Die Skalierung von DLT-basierten Handelsplätzen steht bevor
Angesichts dieser Entwicklungen zeichnet sich ab, wie die Zukunft digitaler Finanzmärkte aussehen könnte. Mit der Konvergenz von ausgereifter Technologie, regulatorischer Klarheit in Europa und Nordamerika sowie starkem institutionellem Engagement steht die Skalierung von DLT-basierten Handelsplätzen bevor. Die Frage ist nicht mehr, ob reale Vermögenswerte im großen Stil tokenisiert werden, sondern wann und wie DLT integraler Bestandteil der weltweiten Märkte wird.
Schon im kommenden Jahr könnten alle Wertpapiere auf der DLT gehandelt und abgewickelt werden, was zu erheblichen operativen Effizienzsteigerungen, kürzeren Abwicklungszyklen (wie T+0), Reduzierung von Gegenparteirisiken und Kostenersparnissen führt.
Jetzt ist die Zeit gekommen, die regulatorische Vorlage zu nutzen und den deutschen Kapitalmarkt fit für das digitale Zeitalter zu machen, um global wettbewerbsfähig zu bleiben.
*) Alireza Siadat, Partner bei Deloitte
