Starke Bewegungen an Japans Finanzmarkt
Starke Bewegungen an Japans Finanzmarkt
Starke Bewegungen an Japans Finanzmarkt
KI-Boom und „Takaichi Trade“ treiben Nikkei und Topix zu Rekorden – „Witwenmacher“-Deals bringen endlich Geld ein
Japans neue Premierministerin elektrisiert ausländische Investoren in Japan. Zugleich profitiert der technologielastige Nikkei 225 vom globalen Hype für Aktien, die von Investitionen in Künstliche Intelligenz profitieren. Laut dem Chef des japanischen Börsenbetreibers JPX Group zieht die „deutlichere Stärke“ des Marktes mehr Anleger an.
mf Tokio
Aktien rauf, Staatsanleihen und Währung runter – am japanischen Finanzmarkt herrschten in den vergangenen Monaten starke Trends. Der Nikkei 225 stieg im Oktober um 16,6% auf das Rekordhoch von 52.411 – der beste Monat seit Januar 1994. Seit dem Jahrestief im April verbesserte sich der Leitindex um rund 80%. Der breit gefasste Topix steigerte sich seitdem um 46%, davon 6,2% im Oktober, auf den Rekordwert von 3.332. Währenddessen markierte die 30-jährige Rendite von Staatsanleihen (JGBs) am 6. Oktober ein Allzeithoch und sank bis zum Monatsende um 0,12 Prozentpunkte. Der Handel mit JGB-Terminkontrakten nahm auffällig stark zu. Der Yen tendierte nach einer mehrmonatigen Seitwärtsphase mit -3,5% zum Dollar und -3% zum Euro erneut abwärts.
Takaichi löst Euphorie aus
Die Haupttreiber hinter dem Aktienaufschwung waren der KI-Boom, was das stärkere Abschneiden des Nikkei 225 als Index mit mehr Tech-Werten gegenüber dem Topix erklärt, sowie der „Takaichi Trade“. Die neue Premierministerin Sanae Takaichi will das Wachstum mit höheren Staatsausgaben und Steuersenkungen ankurbeln. Falls die Zentralbank diese Wirtschaftspolitik unterstützt, dann sollte der Leitzins langsamer steigen. Diese Erwartung erklärt die erneute Yen-Schwäche.
Die Topix-Sektoren Elektrik & Präzision, Stahl & Metall und Maschinen schnitten im Oktober besonders stark ab. Im Topix 500 rückten besonders KI- und Halbleiterwerte vor, allein Softbank Group verbesserten sich im Oktober um 46% auf ein Rekordhoch. Andere Höhenflieger waren Advantest (Halbleiterausrüstung) und Hitachi (Datenzentren). Regierungschefin Takaichi will verstärkt in KI-Innovation investieren, sodass diese Titel auch aus inländischer Sicht nachgefragt wurden. Unterdessen verzeichneten die Sektoren Finanzen, Immobilien und Banken Verluste wegen der Aussicht auf weniger Zinsschritte. Die Aktie der Finanzgruppe MUFG gab auf Monatssicht 4% nach.
Aktive Auslandsinvestoren
Seit dem Ausscheiden von Shinzo Abe hat kein neuer japanischer Premierminister den Markt so elektrisiert wie Sanae Takaichi, weil sie eine Fortsetzung der expansiven Abenomics-Wirtschaftspolitik anstrebt. Unmittelbar nach ihrer Wahl sprangen Nikkei und Topix nach oben. Doch der deutsche Aktienstratege Jesper Koll, Expert Director der Monex Group, hält die Marktreaktion für falsch. „Die Inflationsspirale ist derzeit das größere Risiko als die Deflation zu Abes Zeiten“, meinte Koll. Doch fiskalische Expansion und lockere Geldpolitik würden die Inflation verstärken und den Ärger vieler Wähler auf die Regierungspartei LDP vergrößern. Zudem gilt der Hauptunterstützer von Takaichi, Ex-Finanzminister Taro Aso, als „fiskalisch konservativ“.
Die Korrekturbewegungen am Dienstag und Mittwoch zeigten, wie eng der japanische Finanzmarkt mit dem Nasdaq-Index und dem Dollar korrelieren. Der Nikkei 225 rutschte binnen zwei Tagen um bis zu 6,4% und der Yen um bis zu 1% zum Dollar ab. Verursacher waren kurzfristig agierende Auslandsinvestoren, die seit Januar netto 5,7 Bill. Yen (32 Mrd. Euro), davon allein 3,3 Bill. Yen im Oktober, nach Japan leiteten. Sie wickeln 59% des Tageshandels ab, die Hälfte davon im Hochfrequenzhandel. Sollte Luft aus der vermuteten KI-Blase weichen, dürfte Japan unter den größeren Verlierern zu finden sein.
Dessen ungeachtet konstatierte Hiromi Yamaji, CEO von Börsenbetreiber JPX Group, ein Umdenken bei internationalen Investoren. Die früher übliche Frage „Ist es diesmal anders?“ zu einem starken Kursaufschwung würden sie nicht mehr stellen, berichtete Yamaji am Mittwoch in Tokio. „Wir erhalten gutes Feedback.“ Ein Faktor sei der anhaltende Inflationsdruck nach Jahrzehnten der Deflation, ein anderer die Stärke der Unternehmen. Zudem würden sich Investitionen weg vom US-Markt nach Asien verlagern, sagte der Börsenchef. Der britische Vermögensverwalter Asset Management One erwartet für das laufende Geschäftsjahr einen Gewinnanstieg der Firmen pro Aktie um 12,8% zum Vorjahr.
Short-Wetten auf JGBs
Auch Japans Staatsleihen wanderten in den Fokus von Auslandsinvestoren. Über zwei Jahrzehnte waren globale Anleihefonds mit Short-Wetten auf japanische Staatsanleihen (JGBs) wegen der hartnäckigen Deflation so oft auf die Nase gefallen, dass man von einem „widowmaker trade“ sprach. Aber in diesem Jahr machte kein Investor seinen Ehefrau durch einen Suizid zur Witwe. Die Wetten auf fallende Kurse gingen auf, da die JGB-Gesamtrendite durch Spekulationen über Zinserhöhungen und Befürchtungen über höhere Fiskalausgaben um über 4% sank. Die Kerninflation liegt seit Frühjahr 2022 fast durchgehend über dem Zielwert der Zentralbank von 2%. Trotz drei Erhöhungen auf 0,5% seit April 2024 ist der reale Leitzins negativ. Sollte Takaichi ihre angestrebte Mischung aus fiskalischen Anreizen und lockerer Geldpolitik umsetzen können, dürfte der Verkaufsdruck auf langlaufende JGBs anhalten. Wegen des Ausverkaufs bezeichnete Goldman Sachs Japan als „Nettoexporteur von Baisse-Schocks“ auf dem globalen Anleihemarkt.
Währungsprämie lockt
Allerdings müssen Auslandsanleger den Yen im Auge behalten. Eine Aufwertung bringt ihnen einen Prämie ein, wenn sie in ihrer eigenen Währung investieren. Schon länger gilt der Yen als unterbewertet – die Abwertung um über ein Drittel zum Dollar und Euro binnen 3,5 Jahren erscheint übertrieben. Doch die Trendwende kommt nicht, zuletzt, weil der nächste Zinsschritt der Bank of Japan frühestens im Januar erfolgen könnte. Am Dienstag warnte die neue Finanzministerin Satsuki Katayama vor „einseitigen und schnellen Bewegungen“ der Währung, weil der Dollar sich 155 Yen näherte. Im Juli 2024 hatte die Regierung bei 160 Yen am Devisenmarkt interveniert.
