Europäische Rüstungsprojekte

Kampfflugzeugprojekt FCAS wird neu ausgerichtet

Das milliardenschwere FCAS-Kampfjet-Projekt steht auf der Kippe. Jetzt soll eine Neuorientierung das deutsch-französische Rüstungsvorhaben retten. Gelingt das nicht, könnte Deutschland sich Richtung Großbritannien umorientieren.

Kampfflugzeugprojekt FCAS wird neu ausgerichtet

Kampfflugzeugprojekt FCAS wird neu ausgerichtet

Veränderte Arbeitsteilung zwischen Deutschland, Frankreich und Spanien soll vollständiges Scheitern verhindern

cru/wü Frankfurt/ Paris

Über die Zukunft des milliardenschweren deutsch-französisch-spanischen Kampfjetsystem-Projekts FCAS soll bis Jahresende entschieden werden. Das hatte Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius kürzlich angekündigt. Erste Eckpunkte könnte es nun aber schon schneller geben: Pistorius ist an diesem Montag um 17 Uhr in Paris bei seiner Amtskollegin Catherine Vautrin, nachdem er die neue französische Verteidigungsministerin bereits Freitag bei Beratungen der Group of Five in Berlin empfangen hat. Und am Dienstag treffen Bundeskanzler Friedrich Merz und Präsident Emmanual Macron in Berlin aufeinander.

Bei dem Arbeitstreffen von Vautrin und Pistorius geht es auch um den FCAS (Future Combat Air System). Bei dem bereits 2017 angestoßenen Projekt geht es um Tausende Arbeitsplätze und ein potenzielles Auftragsvolumen von 100 Mrd. Euro für die Unternehmen Airbus, Dassault Aviation und Indra in Deutschland, Frankreich und Spanien. Denkbar seien derzeit vier verschiedene Szenarien, darunter die Aufgabe des Projekts, eine Stärkung der Rolle von Dassault oder eine Kompromisslösung, heißt es in Paris.

Frankreichs Premierminister, den vorigen französischen Verteidigungsminister Sébastien Lecornu, der am FCAS-Projekt festhalten will, kennt Pistorius gut. Ursprünglich war ein Treffen der drei FACS-Partner Deutschland, Frankreich und Spanien zur Vertrauensbildung schon für Oktober in Berlin vereinbart gewesen. Es fand jedoch nicht statt. Geplant war eigentlich, das Dreier-Treffen dann nächste Woche nachzuholen, wenn die Luftfahrtmesse in Dubai zu Ende ist. Dem Vernehmen nach war Paris als Ort für den Treffpunkt angedacht. Doch es scheint derzeit alles im Fluss zu sein, da die Stimmung nicht gut ist. Auch beim deutsch-französischen Kampfpanzer MGCS gibt es Differenzen, weil Frankreich das deutsch-französische Joint Venture KNDS zusehends an sich zieht.

Rettung des Projekts noch möglich

Dennoch besteht weiterhin eine Chance, das FCAS-Projekt mit einer neuen Abmachung zur Arbeitsteilung zu retten. Statt das als Nachfolger für den Eurofighter und die Rafale gedachte künftige Kampfflugzeug gemeinsam zu entwickeln, könnte der französische Konzern Dassault, der zu zwei Dritteln der Gründerfamilie gehört, es alleine bauen. Dagegen könnten sich die drei Partnerländer beim FCAS auf die Entwicklung eines Cloud-basierten Systems beschränken, über das Kampfflugzeuge mit Sensoren, Radaranlagen, Drohnen und Kommandosystemen verbunden werden sollen. Airbus könnte sich so auf die unbemannten Zusatzflugzeuge, im Fachjargon „Loyal Wingman“ bezeichnet, und das verbindende Digitalsystem „Combat Cloud“ konzentrieren. Airbus lehnte eine Stellungnahme zu einem entsprechenden Bericht der „Financial Times“ ab.

Hinter den Kulissen läuft indes schon die Neuorientierung der Deutschen. Der Betriebsrat von Airbus Defence and Space Deutschland plädiert dafür, die Kooperation mit Dassault zu beenden. Auch sonst wird eine Drohkulisse gegen die Franzosen aufgebaut. Denn Berlin und Madrid sind nicht ohne Alternativen zum FCAS. Bundesverteidigungsministerium und Abgeordnete der Regierungskoalition prüfen, wie sie ohne Dassault weitermachen können, falls der französische Flugzeugbauer auf einer dominierenden Rolle in dem Programm besteht. Eine Möglichkeit, die in Betracht gezogen wird, ist, ihn durch neue Partner zu ersetzen, zum Beispiel aus Schweden oder Großbritannien.

BAE Systems könnte Dassault als Partner ersetzen

Der Bundestag hat erst kürzlich der Beschaffung von 20 Eurofighter der Tranche 5 einschließlich eines Upgrades durch die Bundeswehr gebilligt. Neben Airbus, BAE Systems aus Großbritannien, Leonardo aus Italien sind dabei das deutsche Drohnen-Startup Helsing berücksichtigt. Airbus Defence and Space hat gerade auch zwei Aufträge dafür an Saab aus Schweden vergeben. Im Extremfall könnte Deutschland für einen neuen Kampfjet von Dassault auf den britischen Eurofighter-Partner BAE Systems umschwenken, der mit Leonardo und japanischen Konzernen schon an einem neuen Kampfjet arbeitet, dem GCAP (Global Combat Air Programme), meinen Beobachter.

Es gäbe keinen neuen Informationen zum FCAS, hieß es jetzt bei Dassault. Dafür konnte der Flugzeugbauer einen neuen Erfolg verbuchen. Der ukrainische Präsident Präsident Wolodymyr Selenskyj unterzeichnete Montag bei einem Treffen mit seinem Amtskollegen Emmanuel Macron eine Absichtserklärung für den Kauf von bis zu 100 Rafale-Kampfjets. Frankreichs Verteidigungsministerin Vautrin hatte erst letzte Woche in einem Interview mit dem Radiosender „Europe 1“ betont, dass Dassault die Referenz für den Bau von Kampfflugzeugen sei. Deutschland alleine habe nicht die Kompetenz, ein Kampfflugzeug zu bauen, kommentierte sie den Streit um den FCAS.

Die bis Ende des Jahres erwartete Entscheidung über das von Spannungen belastete deutsch-französische-spanische Kampfjetsystem FCAS könnte sich beschleunigen. Beraten wird inzwischen auch über eine Kompromisslösung, um das Projekt zu retten, das den Eurofighter und die Rafale ab 2040 ersetzen soll.