Salesforce-Chef für Zentraleuropa

Alexander Wallner soll mit Agenten deutschen Markt aufmischen

Alexander Wallner soll die KI-Wachstumsambitionen von Salesforce auch in Deutschland umsetzen. Der Zentraleuropa-CEO muss allerdings mit einem schwierigen, technologieskeptischen Marktumfeld umgehen.

Alexander Wallner soll mit Agenten deutschen Markt aufmischen

Salesforce-Deutschlandchef mit kniffliger Aufgabe

Von Alex Wehnert, New York

Alexander Wallner soll einen technologischen Umbruch in die Bundesrepublik bringen. Der Manager, seit Mai 2024 Deutschlandchef und Zentraleuropa-CEO von Salesforce, muss die hochfliegenden Ambitionen des Software-Riesen bei künstlicher Intelligenz in einem der wohl schwierigsten internationalen Märkte vorantreiben. Denn während das Unternehmen in den USA und Schwellenländern mit einer „Revolution“ durch KI-Agenten wirbt, steht Wallner in seiner Heimat vor mehr Überzeugungsarbeit.

Unter anderem die Furcht davor, dass künstliche Intelligenz menschliche Arbeitskräfte ersetzt, ist in der deutschen Wirtschaft mit ihrer Abhängigkeit von klassischen Industrien und überdurchschnittlich alter Arbeitsbevölkerung besonders ausgeprägt. Wallner bezeichnet die Sorge als „nicht zutreffend“ und betont in einer Medienrunde in San Francisco die Notwendigkeit zu einem größer angelegten technologischem Wandel. „Richtig ist vielmehr: Mitarbeiter, die mit KI ausgerüstet sind und über die nötigen Skills verfügen, werden Mitarbeiter ohne entsprechende Kenntnisse ablösen.“

Einige werden abgehängt

Durch KI-Lösungen von Salesforce entstünden in Deutschland mehrere 100.000 neue Jobs. Natürlich sei der Wandel durch KI aber kein reibungsloser Prozess. „Die Belegschaft in so gut wie allen Unternehmen wird sich stark anpassen und weiterbilden müssen“, räumt Wallner ein. „Dabei wird es leider auch Beschäftigte geben, die bei technologischen Neuerungen abgehängt werden.“ Der Führungsebene von Unternehmen komme daher große Verantwortung bei der Transition zu.

Stößt mit seinen KI-Ambitionen bei Investoren bisher noch auf verhaltene Resonanz: Salesforce-CEO Marc Benioff.
Stößt mit seinen KI-Ambitionen bei Investoren bisher noch auf verhaltene Resonanz: Salesforce-CEO Marc Benioff.
picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Jessica Christian

Salesforce will global vom Boom um Enterprise AI profitieren. Doch der Wettbewerb im Markt für Lösungen, die Unternehmenskunden eine Automatisierung ihrer Geschäftsprozesse mittels der Zukunftstechnologie und Kostensenkungen ermöglichen sollen, ist hart. Alphabet lancierte jüngst die Produktsuite „Gemini Enterprise“, die „das beste der Google-KI an jeden Unternehmensmitarbeiter bringen“ soll. Entwickler sollen damit ebenfalls unkompliziert aus Chats heraus KI-Agenten für spezifische Aufgaben bauen können. Zu den frühen Kunden gehören die Design-Plattform Figma und der Zahlungsdienstleister Klarna. Und das Anthropic-Produkt Claude Enterprise gewinnt nach Partnerschaften mit Deloitte und IBM ebenfalls an Popularität.

Angriff mit neuer Plattform

Salesforce reagiert darauf mit dem globalen Start ihrer Plattform „Agentforce 360“, den das Unternehmen bei seiner jährlichen Kundenkonferenz „Dreamforce“ in der vergangenen Woche ankündigte. Die leistungsfähigere Version der 2024 lancierten „Agentforce“-Anwendung enthält neue Möglichkeiten, KI-Agenten für gezielte automatisierbare Aufgaben per Text und Stimme in natürlicher Sprache zu bauen und zu instruieren. Wichtiger Bestandteil ist zudem das Prompting-Werkzeug „Agent Script“, das im November in einer Beta-Version an den Markt kommen und Anwendern die Möglichkeit bieten soll, ihre KI-Agenten flexibler programmieren und auf hypothetische Situationen vorzubereiten.

Mit den neuen Anwendungen wollen die Kalifornier zudem ihr Kommunikationstool Slack aufwerten. Dieses soll durch eine stärkere Integration zum „System werden, in dem Menschen, KI-Agenten, Apps und Daten in Echtzeit miteinander interagieren“. Der Textgenerator Slackbot soll im Rahmen eines Pilotprojekts stärker zu einem KI-Agenten ausgebaut werden, der seinen Nutzer laufend kennenlernt und diesem so nützlichere Rückmeldungen und Anregungen geben kann.

Aktie als Underperformer

Die Aktie zählt 2025 bisher zu den Tech-Underperformern: Seit Jahresbeginn haben Salesforce rund 24% an Wert verloren, während der Nasdaq 100 um 20% zugelegt hat. Dabei fiel das Minus bei dem Software-Riesen noch größer aus, bevor eine Prognose zu den langfristigen Erlösaussichten am Mittwoch der vergangenen Woche etwas Schwung brachte. Das Unternehmen geht für das Geschäftsjahr 2030 von einem Umsatz von 60 Mrd. Dollar aus, dies übertraf die Erwartungen der Wall Street.

Die Adoptionsrate von „Agentforce“, die in unterschiedlichen Versionen seit rund einem Jahr am Markt ist, überzeugt die Wall Street trotz Benioffs hochfliegenden Ambitionen aber noch nicht: Das Unternehmen hat insgesamt über 150.000 Kunden, erst rund 12.000 sind bisher auf die neue Plattform umgestiegen.

Entwicklungspotenzial in Deutschland

Nicht nur Wallner trifft in seinem Markt also auf Schwierigkeiten. Der Deutschlandchef – Typ lockerer Manager, der Jackett und Krawatte gerne mal hängen lässt, sich in seinem Auftreten aber doch von den auf der „Dreamforce“ präsenten Tech-Nerds und Business-Punks abhebt – ist seit Mai 2024 in seiner aktuellen Rolle für Salesforce tätig. Zuvor war Wallner CEO von PlusServer, einem deutschen Public-Cloud-Anbieter. Der Bayer, der auf über 27 Jahre in der IT-Branche zurückblickt, verweist darauf, dass Deutschland durchaus Entwicklungspotenzial bei künstlicher Intelligenz besitze. „Bei den KI-Patentanmeldungen liegen wir international regelmäßig auf Platz zwei oder drei“, sagt Wallner.

Bei der Hauskonferenz „Dreamforce“ hat Salesforce markige Erlösprognosen abgegeben.
Bei der Hauskonferenz „Dreamforce“ hat Salesforce markige Erlösprognosen abgegeben.
picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Jessica Christian

Dennoch sei der Markt im globalen Vergleich schwieriger zu bespielen, da die Tech-Skepsis in der Bundesrepublik besonders ausgeprägt sei. „Gerade für den Mittelstand ist die Prozessoptimierung über KI eine Jahrhundertchance, der Rückstand in der Adoption fällt aber bereits groß aus“, sagt Wallner. Bisher setzten mehrere 100 Salesforce-Kunden in Deutschland, Österreich und der Schweiz „Agentforce“ ein – wobei der Regional-CEO betont, dass sich das Ausmaß je nach Sektor und Größe stark unterscheide. Versicherer seien eine Gruppe, die in der Breite bisher nur geringe Fortschritte mache. „Dort läuft das Geschäft noch – in Branchen, in denen der operative Druck größer ist, schreitet die KI-Adoption hingegen schneller voran“, sagt Wallner.

Bürokratie als Bremsklotz

Allgemein seien Regulierung und Bürokratie in Deutschland und Zentraleuropa noch Bremsklötze. Behörden und Unternehmen führten zudem oft Bedenken bezüglich der Datensicherheit als Grund für ihre Zurückhaltung bei KI an. „Das ist in den meisten Fällen aber eine Ausrede für eine mangelnde Bereitschaft, etablierte Prozesse zu ändern“, sagt Wallner. Die Datensicherheit in den Clouds großer Technologiedienstleister sei zumeist höher als in den internen Legacy-Datenbanken vieler Organisationen und Unternehmen.

Der Deutschland-CEO wirbt deshalb um größere politische Unterstützung für Zukunftstechnologien, unter anderem bei Besuchen im Bundeskanzleramt. Trotz der kniffligen Situation blickt Wallner allerdings optimistisch auf das Deutschland-Geschäft. Denn Salesforce erreicht dort nicht nur IT-Dienstleister wie Teamviewer, sondern zählt auch Anbieter aus vermeintlich statischeren Branchen wie dem Gastgewerbe zu ihren Kunden.