Starmers Stellvertreterin tritt zurück

Angela Rayner löst Regierungskrise aus

Großbritanniens stellvertretende Premierministerin Angela Rayner hat ihr Amt niedergelegt. Sie kam damit dem Ergebnis der Untersuchung einer Steueraffäre zuvor.

Angela Rayner löst Regierungskrise aus

Angela Rayners Rücktritt löst Regierungskrise aus

Von Andreas Hippin, London

Angela Rayner hat ihre Ämter als stellvertretende britische Premierministerin, Ministerin und stellvertretende Labour-Parteivorsitzende niedergelegt. Sie kam damit dem Ergebnis einer Untersuchung des Ethikbeauftragten von Premier Keir Starmer zuvor. Der Cityveteran Laurie Magnus befasste sich mit dem Vorwurf, sie hätte bis zu 40.000 Pfund zu wenig Stempelsteuer auf das von ihr erworbene Eigenheim an der englischen Südküste gezahlt. Die konservative Tageszeitung „Daily Telegraph“ hatte die Geschichte ausgegraben.

Magnus kam zu dem Ergebnis, dass Rayner gegen die Standards für Minister (Ministerial Code) verstieß. Sie hatte zunächst angegeben, falsch beraten worden zu sein. Doch ihre Anwälte wiesen das zurück. Starmer hatte zuvor klargemacht, dass er ihr den Laufpass geben werde, sollte die Untersuchung so ausgehen. Rayner war in seinem Kabinett für Wohnungsbau, Kommunen und Lokalverwaltungen zuständig.

Vertreterin des linken Flügels

Ihr Abgang liefert die Begleitmusik zur Eröffnung des Parteitags von Nigel Farages Wahlverein Reform UK in Birmingham. Gut möglich, dass dort Labour-Abgeordnete auftreten, die öffentlichkeitswirksam die Seiten wechseln. Am Donnerstag schloss sich Nadine Dorries, die unter Boris Johnson als Kulturministerin fungierte, der Rechtspartei an.

Rayners Rücktritt sorgt für die bislang schwerste Regierungskrise seit Starmers Amtsantritt im Juli 2024. Zuvor musste bereits City-Ministerin Tulip Siddiq gehen, weil Magnus Fragen zu ihrer Verwicklung in Korruption in Bangladesch hatte. Ihre Tante ist die gestürzte Premierministerin Sheik Hasina. Doch im Gegensatz zu Siddiq, die durch wirtschaftsfreundliche Ideen auffiel, ist Rayner auf dem linken Flügel von Labour angesiedelt. Sie war zudem eine der wenigen Vertreterinnen des englischen Nordens in der Parteiführung und hielt die Verbindung zur Gewerkschaftsbewegung hoch.

Peinliche Steueraffäre

Eigentlich wollte Starmer nach seiner Rückkehr aus dem Urlaub mit einer Kabinettsumbildung für frischen Wind sorgen. Doch nun dominiert Rayners peinliche Steueraffäre die Schlagzeilen. Sie ist vor allem deshalb schmerzhaft, weil Schatzkanzlerin Rachel Reeves den Wählern am 26. November in ihrem Haushaltsentwurf weitere Steuer- und Abgabenerhöhungen auferlegen wird. Die Kabinettsumbildung finde statt, hieß es aus der Downing Street. Die bislang glücklose Reeves werde Schatzkanzlerin bleiben.

Für die britische Regierungspartei ist der Abgang Rayners in doppelter Hinsicht eine Katastrophe: Sie wurde von den Mitgliedern zur stellvertretenden Vorsitzenden gewählt. Ihren Nachfolger kann Starmer nicht einfach aus dem Hut ziehen. Er setzte zwar zahlreiche Veränderungen in den Regularien durch, um eine erneute Übernahme der Partei durch die radikale Linke verhindern zu können. Doch könnte die Wahl für Rayners Amt zu einem bitteren Richtungskampf zwischen traditionellen Linken und Vertretern der urbanen Akademiker werden, die bei Labour vielerorts den Ton angeben.

„Schlacht um die Seele von Labour“

Ausgerechnet die „Financial Times“ beschwört bereits Erinnerungen an die „Schlacht um die Seele von Labour“ herauf, die 1981 zwischen Denis Healey und Tony Benn ausgetragen wurde. Energieminister Ed Miliband nannte Rayner „eine der großen britischen politischen Persönlichkeiten unserer Zeit“. Wer auch immer „Steuerhinterzieherin“ an ihren Wohnsitz am Meer gesprüht hat, war weniger gnädig.