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Audi holt neuen Entwicklungschef von Volvo Cars

Von Stefan Kroneck, München Börsen-Zeitung, 25.11.2016 Auf der Suche nach einem Nachfolger für den im September über die Diesel-Manipulationsaffäre gestolperten Entwicklungsvorstand Stefan Knirsch ist Audi bei Volvo fündig geworden. Die...

Audi holt neuen Entwicklungschef von Volvo Cars

Von Stefan Kroneck, MünchenAuf der Suche nach einem Nachfolger für den im September über die Diesel-Manipulationsaffäre gestolperten Entwicklungsvorstand Stefan Knirsch ist Audi bei Volvo fündig geworden. Die Ingolstädter Volkswagen-Tochter warb Peter Mertens vom schwedischen Wettbewerber ab. Der 55 Jahre alte promovierte Ingenieur ist seit fünfeinhalb Jahren Entwicklungschef von Volvo Cars. Er soll zum frühestmöglichen Zeitpunkt sein neues Amt antreten, heißt es bei Audi. Aufgrund der Kündigungsfristen wird es aber noch einige Monate dauern, bis er zu seinem neuen Arbeitgeber wechselt. Insofern verliert Audi weitere wertvolle Zeit, um einen Neustart im Ressort für technische Entwicklung wagen zu können.Aufgrund des Betrugsfalls zeichnete sich ab, dass Audi nicht erneut auf einen Manager aus dem VW-Konzern mit seinen zwölf Marken zurückgreifen wird, um den vakant gewordenen Posten neu zu besetzen. Denn angesichts des immer noch nicht hausintern vollständig aufgeklärten Skandals wäre Audi mit einem solchen Schritt ein hohes Risiko eingegangen, abermals jemanden zu benennen, der möglicherweise über die früheren Machenschaften bei Dieselmotoren informiert war. Im Spätsommer setzte der Aufsichtsrat Knirsch nach nur neun Monaten vor die Tür, als sich nach Befragungen durch die vom Konzern beauftragte Anwaltskanzlei Jones Day herausstellte, dass dieser von den Abgasmanipulationen gewusst haben muss.In der Krise erwies sich der Posten des Audi-Entwicklungschefs als Schleudersitz. Im Herbst vergangenen Jahres musste bereits Knirschs Vorgänger Ulrich Hackenberg wegen der Betrügereien gehen. Zuvor stritt die Audi-Führung zunächst ab, dass in den von der VW-Premiumfahrzeugschmiede entwickelten 3-Liter-Dieselmotoren ebenfalls eine Schummelsoftware eingesetzt wurde, um bei der Stickstoffoxidemission zu tricksen. Als sich herausstellte, dass die Vorwürfe der US-Umweltbehörden stimmten, musste Audi klein beigeben. Seit diesem Fehler im Krisenmanagement gilt Vorstandschef Rupert Stadler als angeschlagen. Am Mittwoch nächster Woche wird US-Bezirksrichter Charles Breyer voraussichtlich entscheiden, welche Summe Audi für die betroffenen 85 000 Fahrzeuge mit 6-Zylinder-Motoren aufwenden muss, um sich mit den US-Umweltbehörden zu vergleichen. Die VW-Tochter stellte bislang 752 Mill. Euro wegen Dieselgate zurück. Wenige Wochen zuvor einigte sich VW im Fall der 2-Liter-Dieselmotoren mit den US-Behörden am Tisch desselben Richters auf die Zahlung von 15 Mrd. Dollar. UnbelastetIm Gegensatz zu seinen beiden Amtsvorgängern gilt Mertens als unbelastet, war er doch in seiner bisherigen Laufbahn noch nie direkt für VW tätig gewesen. Der gebürtige Westfale ist nach 26 Jahren der erste Audi-Entwicklungschef, der nicht aus dem VW-Biotop stammt. Nach Herbert Demel, den die Ingolstädter 1990 von Bosch abgeworben hatten, bediente sich Audi immer in den eigenen Reihen.Seine berufliche Laufbahn begann Mertens bei Daimler. Später wechselte er zu Opel, um Jahre danach die Verantwortung für die kompakten Baureihen der amerikanischen Konzernmutter General Motors zu übernehmen. Nach einem Intermezzo bei Jaguar Landrover ging der verheirate Vater dreier Kinder schließlich zu Volvo Cars. Mertens ist überzeugter Anhänger einer Elektrofahrzeugstrategie und des autonomen Fahrens. Auf diesen Feldern trieb er Volvo Cars voran. Vor diesem Hintergrund passt der Manager gut zu Audi, schlug doch die VW-Tochter die gleiche Richtung ein. Bei Audi steht Mertens nun aber eine Kärrnerarbeit bevor, sind doch die Oberbayern wegen des Dieselskandals und der wiederholten Wechsel an der Spitze des Entwicklungsressorts gegenüber BMW und Daimler technologisch ins Hintertreffen geraten. Mertens muss nun also zunächst Aufholarbeit leisten, um den Rückstand gegenüber den Konkurrenten aus München und Stuttgart zu verringern.Erschwerend könnte dabei sein, dass Audi wie die Muttergesellschaft aus Wolfsburg wegen der teuren Dieselaffäre stärker den je auf die Kosten achten muss. Seit Wochen werden bei Audi nicht zwingend notwendige Projekte und Vorhaben auf die Streichliste gesetzt. Mertens könnte daher einem schärferen Budgetzwang unterliegen. Ob er in seiner neuen Rolle künftig an Stadler oder einen anderen CEO berichten wird, wird die weitere Entwicklung in der Aufarbeitung der Dieselaffäre zeigen.