BMW sucht einen neuen Vorstandschef
Von Stefan Kroneck, MünchenAls BMW-Vorstandschef Harald Krüger vor knapp zwei Wochen seinen angepassten Plan für die Elektrooffensive präsentierte, wirkte er vor Medienvertretern so locker und entspannt wie lange nicht mehr. Vermutlich stand für den 53-jährigen Topmanager längst fest, dass die beschleunigte Modellstrategie von BMW in der Antriebstechnologie der Zukunft ohne ihn stattfinden wird. Am Freitag gab der Autohersteller ad hoc bekannt, dass der CEO den Aufsichtsratschef Norbert Reithofer (63) darüber informiert habe, für eine weitere Amtszeit nicht mehr zur Verfügung zu stehen. Krügers Vertrag läuft Ende April nächsten Jahres aus.Nun wird ein anderer Manager aus den eigenen Reihen den Münchner Konzern in die nächste Dekade steuern. Am 18. Juli will der Aufsichtsrat einen Nachfolger ernennen. Zwei KandidatenAls aussichtsreichste Kandidaten gelten Produktionsvorstand Oliver Zipse (55) und Entwicklungsvorstand Klaus Fröhlich (59). Beide sind Eigengewächse des Unternehmens. Der Maschinenbauingenieur Zipse arbeitet seit 28 Jahren für BMW. Von 2012 bis Frühjahr 2015 leitete der gebürtige Heidelberger die Konzernplanung und Produktstrategie, bevor er in den Vorstand aufrückte. Dort verantwortet er seit über vier Jahren die Produktion. Zipse folgte seinerzeit auf Krüger, der im Mai 2015 zum CEO aufstieg. Unter seiner Regie weitete BMW ihr internationales Fertigungsnetz aus. Zugleich soll er sicherstellen, dass der Konzern in der Lage ist, an jedem Produktionsstandort Modelle je nach Nachfrage mit herkömmlichen Verbrennungsmotoren und/oder Elektroantrieben auszustatten. Nach außen wirkt Zipse zurückhaltend. Bislang hielt er sich im Hintergrund. Von einem anderen Kaliber ist dagegen Fröhlich. Der aus Soest (Nordrhein-Westfalen) stammende Maschinenbauingenieur hat sich zu einem Sprachrohr von BMW entwickelt, da angesichts des Wandels in der Technik seine Fachkompetenz stark gefragt ist. Auf Veranstaltungen überließ ihm Krüger einige Male den Vortritt, wenn es darum ging, die Vorteile elektrifizierter Fahrzeuge zu erläutern. Der verheiratete Vater von vier Kindern meistert öffentliche Auftritte mit Verve, wenngleich mit einem leichten Hang zur Arroganz. Fröhlich ist seit 26 Jahren für BMW in leitenden Funktionen tätig, darunter als Leiter der Produktplanung (2005 bis 2007) und als Leiter der Baureihen kleiner und mittlerer Modelle (2012 bis 2014). Seit Dezember 2014 führt er das Entwicklungsressort im Vorstand.Für beide Kandidaten spricht, dass sie im Rahmen der Unternehmensstrategie Schlüsselressorts leiten. Im direkten Vergleich dürfte Zipse aber größere Chancen haben, Krüger zu beerben. Produktionschef im Vorteil Für ihn spricht, dass er vier Jahre jünger ist als Fröhlich, obgleich das heute kein entscheidendes Kriterium bei BMW mehr ist. So hat der weiß-blaue Autobauer vor wenigen Jahren die Altersobergrenze für Vorstände von 60 Jahren aufgehoben. Zipse steht aber im Topmanagement einem Ressort vor, aus dem der Aufsichtsrat bereits mehrere Vorstandschefs rekrutierte. So waren Joachim Milberg, Reithofer und zuletzt Krüger vor ihrem Aufstieg zum CEO jeweils Produktionsvorstand.Sollte Zipse das Rennen machen, dürfte BMW keine radikale Kehrtwende bevorstehen. Er steht für einen eher moderateren Kurs als Fröhlich, der angesichts seines bisherige Aufgabengebiets als CEO dazu neigen könnte, noch stärker in der E-Mobilität voranzupreschen als bisher. Das könnte zu noch höheren Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen führen. Dieser Kostenblock ist bei BMW bereits auf einem Rekordniveau.Krügers Rücktritt und die Terminierung der Entscheidung für einen Nachfolger sprechen für den Versuch von BMW, den Wechsel an der Konzernspitze geordnet zu vollziehen. “Bis zu einer Entscheidung wird Harald Krüger sein Amt als Vorsitzender des Vorstands unverändert ausüben”, meldete der Konzern. Das weist darauf hin, dass der amtierende CEO seinen Posten bereits Monate vor Ablauf seines Vertrags übergeben wird. Wann dies geschehen soll, ist aber noch offen, heißt es.Als Krüger im Frühjahr 2015 zum Vorstandschef aufstieg, setzte er sich gegen Herbert Diess durch. Der damalige BMW-Vorstand Diess wechselte zu Volkswagen, wo er später zum CEO aufrückte. Krüger war der Wunschnachfolger von Reithofer und der Erbengemeinschaft von Herbert Quandt, die über 46 % des Grundkapitals von BMW hält. Der gebürtige Freiburger gehört seit Dezember 2008 dem Vorstand an. Reithofer war sozusagen sein Ziehvater im Unternehmen. Erfolgsserie reißt Der Maschinenbauingenieur setzte zunächst die Rekordfahrt seines Amtsvorgängers fort. 2018 war dann Schluss mit der Erfolgsserie. Die von Washington angestoßenen Handelskonflikte sorgten für erste Dämpfer. Zudem drückten die wachsenden Vorleistungen für neue Modelle und Zukunftsfelder auf die Rendite. Zwei Gewinnwarnungen binnen neun Monaten schreckten die Anleger auf. Die BMW-Stammaktie büßte seit Anfang 2018 ein Viertel ihres Wertes ein. Der Druck auf Krüger wuchs. Die Kritik auch. Auf der zurückliegenden Hauptversammlung im Mai watschten Vertreter von Kleinaktionären und institutionellen Investoren den CEO ab. Sie bemängelten unter anderem, dass die E-Strategie von BMW zu verhalten sei. Wettbewerber zögen an BMW vorbei. Krüger versprach, dass das Unternehmen seine Spitzenposition auf diesem Gebiet halten werde. Das reichte nicht mehr, um zu überzeugen.