Rodrigo Paz

Boliviens neuer Präsident setzt auf „Kapitalismus für alle“

Rodrigo Paz Pereira wird Boliviens Präsident. Mit Fokus auf moderate Reformen und die Bekämpfung von Korruption plant er eine Belebung der schwächelnden Wirtschaft.

Boliviens neuer Präsident setzt auf „Kapitalismus für alle“

Boliviens neuer Präsident setzt auf „Kapitalismus für alle“

af Buenos Aires

Rodrigo Paz Pereira ist am Wochenende mit einem klaren Vorsprung von neun Prozentpunkten zum Präsidenten Boliviens gewählt worden, um nach zwei Jahrzehnten linker Mehrheiten einen moderaten Übergang einzuleiten. Der 58-Jährige entstammt einer der bekanntesten politischen Dynastien des Landes, sein Vater Jaime Paz Zamora regierte das Land zwischen 1989 und 1993.

Der Wahlsieger wurde 1967 während des Exils seiner Eltern in Santiago de Compostela geboren und verbrachte Kindheit  und Jugend in zehn Ländern. Seine Biografie ist geprägt von Flucht, politischer Verfolgung und Überlebenskämpfen – Erfahrungen, die er selbst als Ursprung seines politischen Engagements beschreibt.

Nach einem Studium der Wirtschaft und der Internationalen Beziehungen absolvierte Paz einen Master in Politischem Management an der American University in Washington. 2002 begann er seine politische Laufbahn als Abgeordneter des Departements Tarija, später wurde er Stadtrat und Bürgermeister der gleichnamigen Bezirkshauptstadt. 2020 wurde er Senator im Parlament. Nun trat er erstmals als Präsidentschaftskandidat der christdemokratischen Partei (PDC) an, als Außenseiter, der schließlich beide Runden gewann.

Marktliberalismus mit sozialer Verantwortung

Im Wahlkampf präsentierte sich Paz als moderater Reformer, der vermitteln will zwischen Marktliberalismus und sozialer Verantwortung. Sein Slogan „Kapitalismus für alle“ richtete sich an das Heer aus Kleinunternehmern, Selbstständigen und Teilen der in den letzten zwei Jahrzehnten beträchtlich angewachsenen indigenen Mittelschicht, die sich beim Movimiento al Socialismo nicht mehr daheim fühlten. Paz versprach niedrigere Zölle, vereinfachte Steuern und günstige Kredite, zugleich aber die Fortführung sozialer Hilfsprogramme. „Der Staat darf kein Hindernis sein“, lautete einer seiner zentralen Sätze. Seine „Agenda 50/50“ sieht eine gleichmäßige Verteilung der Finanzmittel zwischen Zentralregierung und Regionen vor, um mehr wirtschaftliche Eigenständigkeit zu schaffen.

Moderater Kurs statt Kettensäge

Im Gegensatz zu seinem konservativen Rivalen Jorge „Tuto“ Quiroga, der eine Schock-Reform nach argentinischem Vorbild durchführen wollte, lehnt Paz neue Kredite des Internationalen Währungsfonds ab und kündigte an, die Wirtschaft durch interne Reformen und den Kampf gegen Korruption zu stabilisieren. Gleichzeitig verlangt er, dass das rohstoffreiche Bolivien sich für ausländische Investitionen öffnen müsse. Das Land hat die weltgrößten Vorkommen an Lithium, dazu Uran und wertvolle Metalle. In außenpolitischen Fragen sucht er engere Beziehungen zum Westen und eine Abkehr von chinesischer Dominanz. 

Politikwissenschaftler beschreiben Paz als „Zentristen des kleinen Volkes“, der die Wirtschaft des Landes anspricht: Deregulierung ja – aber zum Nutzen vieler, nicht der Eliten, denen er ja selbst entstammt. Als entscheidend sehen viel seine Wahl des Vizepräsidenten:  Edman Lara ist Ex-Polizist und ein Online-Aktivist gegen Korruption, der ein riesiges Gefolge im Internet hat.

Wirtschaft in Schieflage

Paz übernimmt ein Land in wirtschaftlicher Schieflage und mit einem zersplitterten Parlament, in dem seine Partei keine Mehrheit hat. Seine zentrale Aufgabe wird es sein, Koalitionen unter den mehrheitlich konservativen Parlamentariern zu schmieden und das Vertrauen einer Gesellschaft zu gewinnen, die zwischen Reformmüdigkeit und Veränderungswillen schwankt. Er kündigte an, ineffiziente Staatsbetriebe zu schließen, kleine Unternehmen zu fördern und zugleich die ärmeren Schichten zu schützen. „Ideologien füllen keine Teller“, sagte er kurz vor der Wahl. Mit seinem Wahlsieg will Rodrigo Paz die politische Tradition seiner Familie fortsetzen – mit einem Stil, der Pragmatismus über Ideologie stellt.