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Busch punktet mit Zurückhaltung

Von Michael Flämig, München Börsen-Zeitung, 5.2.2020 Der Siemens-Aufsichtsrat hat gesprochen - auch ohne ein Wort zu verlieren. Das Kontrollgremium ließ zwar am Dienstagabend den Kauf eines Aktienpakets an Siemens Gamesa veröffentlichen, doch...

Busch punktet mit Zurückhaltung

Von Michael Flämig, MünchenDer Siemens-Aufsichtsrat hat gesprochen – auch ohne ein Wort zu verlieren. Das Kontrollgremium ließ zwar am Dienstagabend den Kauf eines Aktienpakets an Siemens Gamesa veröffentlichen, doch äußerte es sich nicht zur Nachfolge an der Konzernspitze. Das implizite Signal an die heute stattfindende Hauptversammlung: Es bleibt bei der bisherigen Zeitplanung. Erst im Sommer soll bestimmt werden, ob und wann Roland Busch den heutigen Siemens-Chef Joe Kaeser beerbt. Knüppel zwischen die BeineDass der Aufsichtsrat an seiner Linie festhielt, war nach dem Wirrwarr der vergangenen Wochen keine Selbstverständlichkeit. Die Öffentlichkeit verfolgte gespannt, wer was wusste über den Subauftrag für eine australische Kohlemine – und damit die Verantwortung tragen muss. Steht der Vorstand wenigstens in der Außendarstellung zusammen? Oder wirft Kaeser seinem stellvertretenden Vorsitzenden öffentlich Knüppel zwischen die Beine? Klar war, dass Siemens in der Konfrontation mit den Klimaaktivisten einen enormen Reputationsschaden erlitten hat.Dies droht auf die Verantwortlichen abzufärben. Die Aktionäre werden also am heutigen Mittwoch in der Münchner Olympiahalle interessiert beobachten, wie sich die Beteiligten verhalten. Strittig dürfte sein, ob die Hängepartie dem Konzern schadet oder Siemens die Phase des Übergangs mit Selbstbewusstsein durchstehen kann. Aus Sicht der institutionellen Investoren allerdings ist – sofern das Geschäft läuft – zweitrangig, ob ein Chef ein paar Monate früher oder später ernannt wird. Wenn Streitereien zu Führungsschwäche führen, ist dies aber eine andere Sache. Zudem reagieren sie allergisch, wenn ein Nachfolger vor seiner Ernennung beschädigt wird.Busch wird die Debatte mit großer Aufmerksamkeit verfolgen. Er ist nicht der Typ, der die Dinge laufen lässt. Dennoch war in den vergangenen Monaten wenig öffentlich von ihm zu hören zu dem Thema. Mit dieser Strategie ist er gut gefahren. Seine Chance auf den Vorstandsvorsitz, die seit dem vergangenen Herbst bereits sehr gut war, hat sich eher verbessert denn verschlechtert. Der Ansatz, dem langjährigen Vorstand anzudichten, er befinde sich in einer Bewährungsphase, hat sich als Fehlschlag erwiesen. Laufbahn mit MakelnDabei ist die Laufbahn von Busch durchaus nicht ohne Makel. Die Frage, wann er über das Kohleminenprojekt informiert war, wird ihn verfolgen. Aber auch ökonomisch gewichtigere Projekte haben nicht geklappt. Beispielsweise scheiterte die Fusion der Siemens-Bahntechnik mit Alstom an dem Einspruch der Europäischen Kommission. Klar ist aber auch: Wer neun Jahre lang im Vorstand eines Großkonzerns agierte, dem kann nicht alles gelungen sein – zumal wenn er mit Ressorts zunehmend überladen wurde wie Busch.Die Erfolge von Busch wiegen klar schwerer als die misslungenen Vorhaben. Zwei Beispiele: Dem 55-Jährigen ist es zu verdanken, dass sich die Bahntechnik von einer Gefahr für den Konzerngewinn zu einem verlässlichen Ergebnisbringer wandelte. Die Gebäudetechnik, einst auch wegen ihrer isolierten Stellung eher ein Sorgenkind, erhielt unter Busch ebenfalls einen besonderen Glanz. Sehnsucht nach TechnikerDas eigentliche Asset von Busch liegt jedoch ganz woanders: Der Konzern braucht nach Ansicht des Aufsichtsrats wieder einen Techniker an der Spitze. Der Diplom-Physiker und promovierte Naturwissenschaftler kann dies bieten. Seine Laufbahn, die er komplett bei Siemens absolvierte, begann er nicht zufällig in der Zentralabteilung Forschung und Entwicklung. Sie führte ihn im Jahr 2016 bis zum Chief Technology Officer. Noch heute ist er im Vorstand unter anderem für Forschung und Entwicklung zuständig.Zugleich hat sich Busch den Blick für die Strategie erarbeitet. Wie der frühere Siemens-Chef Klaus Kleinfeld und der heutige Vorsitzende Kaeser leitete er die Strategieabteilung. Seine zahlreichen Karriere-Stationen führten zu einer sehr guten Vernetzung quer durch das Unternehmen.