CEO Neri schreibt nach Milliardendeal an neuem Kapitel bei HPE
CEO Neri schreibt an neuem Kapitel bei HPE
Von Alex Wehnert, New York
Antonio Neri hat sich freigeschwommen. Noch vor etwas mehr als zwei Monaten stand der CEO von Hewlett Packard Enterprise (HPE) unter erheblichem öffentlichen Druck: Die 14 Mrd. Dollar schwere Übernahme des Netzwerksausrüsters Juniper durch den IT-Konzern wackelte aufgrund von Kartellbedenken des US-Justizministeriums, und die Shareholder-Aktivisten von Elliott Investment Management klopften zunehmend nachdrücklicher an. Im April war ihre damals 1,5 Mrd. Dollar schwere, seither wohl noch aufgestockte Beteiligung an HPE bekannt geworden – angeblich wollte der laute Minderheitsaktionär beim Verwaltungsrat auf eine Ablösung von Vorstandschef Neri drängen.
Vereinbarung mit Aktivisten
Seitdem hat sich die Lage grundlegend verändert. Anfang Juli schloss HPE die Übernahme von Juniper nach einer Einigung mit dem Justizministerium ab – der IT-Riese verpflichtete sich dabei zu einem Verkauf des „Instant On“-Geschäfts mit kabellosem Internet für Kleinunternehmen und die Versteigerung von Lizenzen für den Quellcode der KI-Software, die in den WLAN-Produkten von Juniper zum Einsatz kommt. Ebenfalls im Juli fand HPE unter Neri zu einer Kooperationsvereinbarung mit Elliott, durch die mindestens ein Jahr lang Burgfrieden herrscht.

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Die Aktivisten haben sich verpflichtet, in dieser Zeit keinen Stimmrechtskampf bei dem Serverkonzern zu führen und durften im Gegenzug bereits einen Sitz Direktorenposten mit dem erfahrenen Tech-Manager Robert Calderoni besetzen, der ein neues Strategiekomitee führen soll; möglicherweise rückt noch ein weiterer Elliott-Vertreter in den Verwaltungsrat von HPE nach. Neri lobt Calderoni im Gespräch mit der Börsen-Zeitung am Mittwoch als „großartige Besetzung“ – zugleich betont der CEO, die Turbulenzen der vergangenen Monate hätten ihn „persönlich überhaupt nicht beunruhigt“. Dass die Juniper-Transaktion nun durch sei, schaffe natürlich Klarheit. „Aber ich war immer voll davon überzeugt, dass wir den Deal abschließen würden“, schiebt der gebürtige Argentinier, der das Steuer bei HPE im Februar 2018 übernahm, nach.
Aufstieg vom Kundendienst zum CEO
Für Neri war das Tauziehen um den Juniper-Deal nicht die erste Geduldsprobe seiner Karriere. Der Manager, der seine militärische Grundausbildung im Alter von 15 Jahren begann und bei der argentinischen Marine als Ingenieurslehrling an Sonar- und Radar-Systemen werkelte, zog nach seinem Studium an der nationalen technischen Universität des südamerikanischen Staats nach Italien. Im Geburtsland seiner Eltern arbeitete der passionierte Zeichner, Maler und Fußballfan für ein kleines IT-Unternehmen, bevor er 1995 in den Kundenservice von Hewlett-Packard nach Amsterdam wechselte. Vom vergleichsweise bescheidenen Einstiegsposten aus folgten mehrere schnelle Beförderungen, ab 1997 machte Neri in den USA Karriere und wurde spätestens mit der Aufspaltung von Hewlett-Packard in HP Inc. und HPE im Jahr 2015 eine zentrale Figur im amerikanischen Technologiekosmos.
Zuletzt hat der heute 58 Jahre alte Vater zweier Kinder, der seine Frau einst während der Arbeit in einem Call Center von HP kennenlernte, allerdings auch die undankbaren Seiten des Geschäfts kennengelernt. Und ganz ausgestanden ist der Druck auf Neri wohl noch nicht. Das Abkommen mit Elliott lässt laut Analysten durchaus Raum für Management-Wechsel beim außerhalb der texanischen Metropole Houston ansässigen Konzern. Auch könnten Verkäufe von Unternehmensteilen zu den strategischen Optionen gehören, die Calderonis neues Strategiekomitee prüft. Umso entscheidender ist es für Neri, nun starke fundamentale Ergebnisse zu liefern – eine Aufgabe, die der CEO im Ende Juli abgeschlossenen dritten Geschäftsquartal 2025 erfüllt hat.
Erwartungen der Wall Street übertroffen
Der Erlös von HPE legte gegenüber dem Vorjahreszeitraum um währungsbereinigte 18% auf 9,14 Mrd. Dollar zu, wie der Konzern am Mittwoch vermeldete. Insbesondere die Umsatzentwicklung im zentralen Servergeschäft überraschte dabei mit einem Plus von 16% auf 4,94 Mrd. Dollar positiv, vom Datendienst Factset befragte Analysten hatten im Konsens lediglich 4,72 Mrd. Dollar erwartet. Der verwässerte Gewinn fiel mit 44 Cent pro Aktie zwar 6 Cent niedriger aus als im Vorjahreszeitraum, die Wall Street hatte aber lediglich mit 42 Cent gerechnet. Bereinigt unter anderem um aktienbasierte Vergütungen und Akquisitionskosten blieben nach dem Rechnungslegungsstandard GAAP netto noch 21 Cent pro Aktie hängen.

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Nach dem Abschluss der Juniper-Transaktion passt HPE die Prognose für das Gesamtjahr an. Nun rechnet der Konzern mit einem Umsatzwachstum von 14 bis 16%, nachdem er zuvor 7 bis 9% angepeilt hatte. Für den Absatz im laufenden vierten Geschäftsquartal hegte die Wall Street mit 10,11 Mrd. Dollar im Vorfeld noch etwas höhere Erwartungen als von HPE ausgegeben, die Texaner gehen von 9,7 bis 10,1 Mrd. Dollar aus. Dies lastete im nachbörslichen New Yorker Handel auf der Aktie. Insgesamt hat sich der Titel aber stark erholt, nachdem er zwischen Jahresbeginn und Anfang April noch im Abwärtstrend gelegen hatte – seit Anfang Januar gerechnet hat er über 6% an Wert gewonnen.
Hohe Effizienzgewinne angepeilt
Wie Finanzchefin Marie Myers betont, geht HPE angesichts der Komplexität der Juniper-Transaktion bei ihren Prognosen konservativ vor. Die Prognose für den Gewinn im laufenden Quartal fiel mit 60 Cent pro Aktie aber bereits etwas besser aus als an der Wall Street erwartet. „Auch ohne den Beitrag von Juniper haben wir die Erlöse und die Profitabilität bereits bedeutend gesteigert“, sagt Neri gegenüber der Börsen-Zeitung. Infolge der Übernahme will der CEO die Effizienz deutlich steigern: Über die drei Jahre nach dem Closing hinweg soll der Deal Synergien von 600 Mill. Dollar heben, vor Juli war noch von 450 Mill. Dollar die Rede. „Das ist die Kostenseite – nun richten wir unseren Blick aber darauf, wie wir durch höhere Effizienz auch überproportionale Erlössteigerungen erreichen können“, führt der CEO aus.
Der Boom um künstliche Intelligenz (KI) soll laut Neri auch im um Juniper erweiterten Netzwerkgeschäft zum Treiber werden. Bisher sorgt er vor allem für eine verstärkte Nachfrage großer Unternehmenskunden und staatlicher Institutionen im Servergeschäft. Laut CFO Myers hat sich HPE im im abgelaufenen Quartal einen Großauftrag von einem großen „KI-Modellbauer“ gesichert. Der Auftragsbestand sei nun auf einen Gegenwert von 3,7 Mrd. Dollar angeschwollen.
Schwung im Cloud-Geschäft
Der KI-Boom bringt aber auch Schwung in der zunehmend profitableren Hybrid-Cloud-Sparte, in der HPE über die Plattform Greenlake lokale Rechenzentren, die Private Clouds, mit öffentlichen Speicherressourcen kombiniert, sodass Unternehmen ihre Daten und Anwendungen auf beide verteilen können. Greenlake ist entscheidender Bestandteil von Neris Strategie, die er auch in diesem Segment über Übernahmen wie die Ende August 2024 abgeschlossene Übernahme des Cloud-Management-Softwareanbieters Morpheus Data vorantreibt.
Zuletzt hat sich in die Euphorie um künstliche Intelligenz aber vermehrt Skepsis gemischt. Befeuert hat diese eine Studie des Massachusetts Institute of Technology. Demnach generierten 95% der Organisationen durch ihre Investitionen in generative künstliche Intelligenz „null Return“. Gerade die Investitionsausgaben von Big Tech für die Zukunftstechnologie sind in beispiellose Höhen geschossen – allein die Kapitalaufwendungen von Meta Platforms, Amazon, Alphabet und Microsoft dürften sich im laufenden Jahr auf nahezu 400 Mrd. Dollar summieren.
Zweifel an KI-Boom mehren sich
Die Investmentbank Morgan Stanley geht davon aus, dass die Ausgaben für Chips, Server und Rechenzentren-Infrastruktur zwischen 2025 und 2028 auf 2,9 Bill. Dollar steigen und damit im laufenden und kommenden Jahr 0,5% zum Bruttoinlandsprodukt der Vereinigten Staaten beitragen werden. Doch laut dem MIT hat der überwiegende Teil der realwirtschaftlichen Anwendungen von künstlicher Intelligenz bisher keinerlei messbaren Einfluss auf die Gewinn- und Verlustrechnung von Unternehmen. Auch Sam Altman, CEO der für ihren Textgenerator ChatGPT bekannten Tech-Schmiede OpenAI, sorgte zuletzt für Verunsicherung. KI bringe zwar „großen Mehrwert für die Gesellschaft“, sagte er Mitte August vor Reportern – allerdings seien Investoren „übermäßig begeistert“. Einige Anleger würden mit KI-Investments voraussichtlich „viel Geld verlieren“.
Laut Neri birgt die Technologie jedoch das Potenzial, „unsere Gesellschaft grundlegend zu verändern“. Der an Geduldsproben gewöhnte Manager verweist darauf, dass die Wirtschaft gerade erst „von der Erkundung der Technologie zu ihrer Implementierung“ übergehe. „Es gibt über unser Geschäft und die gesamte Lieferkette hinweg so viele Anwendungen für KI, und wir sehen eine ungebrochene Adoption bei unseren Kunden“, betont Neri. Die Technologie werde „historisch beispiellose Produktivitätsverbesserungen“ nach sich ziehen.
Trumps Politik sorgt für Verunsicherung
Für anhaltende Unsicherheit im Tech-Sektor sorgen aber auch die von US-Präsident Donald Trump losgetretenen globalen Handelskonflikte. Zunächst sind bestimmte Hardware-Produkte von den härtesten Zöllen ausgenommen, doch laufen Ermittlungen Washingtons zu Risiken für die nationale Sicherheit durch den Import von Elektronik und Halbleitern. Neri rechnet damit, dass sich diese Prüfungen noch länger hinziehen, kurzfristig seien damit keine weiteren geschäftlichen Belastungen verbunden.

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Doch führt das volatile politische Umfeld bei vielen Unternehmen zur Zurückhaltung bei langfristigen Investitionsentscheidungen. Stattdessen pumpt Corporate America im laufenden Jahr im Rekordvolumen liquide Mittel in Aktienrückkäufe. Auch HPE will laut Neri zwar an ihrer „starken Struktur des Shareholder Return über Dividenden und Buybacks“ festhalten. Allerdings gelte es trotz Unsicherheitsfaktoren, Mittel in Zukunftsinvestitionen zu stecken und das Portfolio weiter an die großen Markttrends um KI anzupassen. Mehr Informationen zu diesem „Finetuning“ will Neri bei einer Analystenkonferenz seines Hauses im Oktober in New York bekanntgeben. „Vorerst liegt unser Fokus aber auch ganz klar darauf, aus dem Cash-flow Kredite zurückzuzahlen, die wir für die Juniper-Übernahme aufgenommen haben“, sagt der CEO – der nach nach den Unruhen der vergangenen Monate „ein neues Kapitel“ aufschlagen will.