„Chefs soll es bei uns nicht geben“
„Chefs soll es bei uns nicht geben“
„Chefs soll es bei uns nicht geben“
sar Frankfurt
Basisdemokratische Prozesse sind nicht unbedingt das, was man mit der Entscheidungsfindung in einer Wirtschaftskanzlei zuerst assoziiert. SZA Schilling, Zutt & Anschütz übt sich dennoch regelmäßig darin. Die Kanzlei mit mittlerweile 139 Juristinnen und Juristen und einer Partnerschaft mit 38 Mitgliedern steuert sich über einen Sozietätsausschuss. „Wir wollen so viel Freiberuflichkeit wahren, wie es in einer Einheit unserer Größenordnung möglich ist“, sagt Jochem Reichert, der als Senior Partner mit Marc Löbbe das Gremium leitet.
Strukturen nachgezogen
Die monatlich tagende Partnerversammlung trifft wichtige Entscheidungen mit Mehrheit. „Wir wollen auf Augenhöhe agieren. Chefs soll es bei uns nicht geben“, sagt der 69-jährige Reichert. Die Strukturen hat die Kanzlei in den vergangenen Jahren nachgezogen und mehrere Ausschüsse eingesetzt, die Debatten zu Themen wie Strategie, Marketing, Recruiting oder KI vorbereiten. „Wir sind dadurch alle auch unternehmerisch tätig“, sagt Löbbe. Die gewählte Governance-Struktur von SZA lasse sich allerdings auf andere Einheiten nur bedingt übertragen, räumt er ein. „Bei Partnerschaften mit 100 Mitgliedern würde das Modell in dieser Form vermutlich nicht mehr funktionieren.“
2024 erzielte die Kanzlei einen Honorarumsatz von 68,5 Mill. Euro an den Standorten Frankfurt, Mannheim, München und Brüssel. Die Wurzeln von SZA reichen bis 1900 zurück, die Sozietät feiert in diesem Jahr 125-jähriges Bestehen – wenn auch mit einer Unterbrechung. Von 2000 bis 2008 hatte SZA die Eigenständigkeit zeitweise aufgegeben und sich der US-Kanzlei Shearman (heute A&O Shearman) angeschlossen. Engeren Kontakt bekamen die beiden Sozietäten über den Zusammenschluss der Autokonzerne Daimler-Benz und Chrysler, bei dem beide mandatiert waren. „Die internationale Vernetzung sprach damals für den Zusammenschluss“, erklärt Reichert.
Ausgründung aus Shearman
Auch wenn er die Zusammenarbeit als „immer professionell und angenehm“ lobt, trennten sich die Wege nur acht Jahre später wieder. „Ein großer Freiheitsdrang ist Teil unserer DNA“, sagt der Jurist. „Diese Entscheidungsfreiheit haben wir in der Struktur einer Großkanzlei zunehmend vermisst.“ Wesentliche Leitentscheidungen seien in den USA getroffen worden, und auch der Weg in die Partnerschaft wäre für juristische Talente aus Deutschland weiter gewesen. Mit elf Partnern startete SZA Schilling, Zutt & Anschütz als eigene Einheit zum 1. Mai 2008 neu. Bei internationalen Mandaten arbeitet die Sozietät heute bei Bedarf mit Partnerkanzleien vor Ort zusammen.
Löbbe stieg mit der Ausgründung in die Partnerschaft auf. Der 52-Jährige hat, wie auch Reichert, in Heidelberg bei Peter Ulmer studiert. Der langjährige Rektor der Universität Heidelberg war der Kanzlei eng verbunden und mit Wolfgang Schilling befreundet. Nach der Emeritierung 2001 wurde Ulmer Of Counsel bei SZA.
Enger Kontakt zur Wissenschaft
Löbbe kam über seinen Hochschullehrer mit SZA in Kontakt. „Er hat Privatseminare veranstaltet, in denen Studenten die Thesen ihrer wissenschaftlichen Arbeit verteidigen mussten“, berichtet Löbbe. Unter den externen Gästen waren regelmäßig auch SZA-Anwälte. „Da lernte man sich kennen.“ Der promovierte Jurist ist heute Lehrbeauftragter an der Universität Bonn, spezialisiert hat Löbbe sich auf Corporate-Governance-Themen, Vorstands- und Aufsichtsratshaftung. Bei der Arbeit für Aufsichtsräte komme die Struktur der Sozietät gut an, sagt er. „Diese Mandanten wollen einen unabhängigen Rat und kennen die Herausforderungen, die große Strukturen und Hierarchien mit sich bringen können.“
Reichert hat die Thesen seiner Doktorarbeit einst im Beisein von Jürg Zutt und Wolfgang Schilling verteidigt, heute ist er Honorarprofessor an der Universität in Jena. Die Verbindung von wissenschaftlichem Arbeiten und juristischer Praxis ist für ihn eine Besonderheit bei SZA. „Wir wollen für unsere Mandanten die schwierigen Fragen beantworten und die komplexen Fälle lösen“, sagt er. „Da ist es schon wichtig, dass Anwälte auch mit wissenschaftlichen Meinungen umgehen können.“ Dabei sieht er einen weiteren Aspekt: „Wissenschaftliche Arbeit macht einfach auch Spaß – und dafür muss auch Raum bleiben.“
