James Kuffner

Computergenie steuert Software-Sparte von Toyota

Weitgehend unbemerkt hat Toyota zum Jahreswechsel eine eigene Sparte für die Software der Fahrzeuge von morgen unter dem seltsamen Namen „Woven Planet Holdings“ lanciert. Ihr neuer Chef James Kuffner (49) stellte sich erst jetzt Analysten und...

Computergenie steuert Software-Sparte von Toyota

Von Martin Fritz, Tokio

Weitgehend unbemerkt hat Toyota zum Jahreswechsel eine eigene Sparte für die Software der Fahrzeuge von morgen unter dem seltsamen Namen „Woven Planet Holdings“ lanciert. Ihr neuer Chef James Kuffner (49) stellte sich erst jetzt Analysten und Journalisten vor. Was der geniale Computeringenieur zu sagen hatte, bestätigte manchen Branchenrivalen in seinen schlimmsten Befürchtungen: Auf dem Gebiet der automobilen Software scheint sich Toyota einen Vorsprung verschafft zu haben.

Während Volkswagen derzeit noch an einer eigenen Softwareeinheit mit Tausenden Mitarbeitern schmiedet, holte sich der japanische Autoriese den US-Amerikaner nämlich bereits vor fünf Jahren an Bord. Zusammen mit inzwischen 600 Forschern und Ingenieuren entwickelte der Ex-Chef der Robotersparte von Google zuerst im Silicon Valley und dann in Tokio das automobile Betriebssystem Arene. Für das Automobil werde es so bedeutend sein wie Microsoft Windows und Android für Computer und Smartphones, sagt Kuffner jetzt. Hardware und Software ließen sich nun parallel entwickeln, was die Entwicklungszeit von Autos verkürzt. Seinen Angaben zufolge steht das Produkt vor der Kommerzialisierung.

Den Aufstieg verdankt der eloquente Wissenschaftler seinen guten Beziehungen zu Konzernchef Akio Toyoda (64). Der hämmert seinen Mitarbeitern schon länger die Parole „Software first“ ein. Wenn Autos zu rollenden Computern werden, dann müssten Wachstum und Gewinn künftig über die Software kommen, lautet sein Credo. Diese Mission soll die Dachgesellschaft „Woven Planet“ erfüllen, die Toyoda mit einer „bedeutenden Menge eigenem Geld“ aus der Taufe gehoben hat. Weitere Kapitalpartner sind Toyota sowie die Zulieferer Denso und Aisin Seiki.

Woven Planet hat drei Töchter: Woven Core konzentriert sich auf das automatisierte Fahren. Woven Alpha, die zuvor als Toyota-Forschungsinstitut für fortgeschrittene Entwicklung (TRI-AD) firmierte, entwickelt Wachstumsprodukte rings um automobile Software. Und Woven Capital schüttet 800 Mill. Dollar an Start-ups aus in den Bereichen Auto, künstliche Intelligenz, Robotik und Smart Cities. Das Wort Woven spielt darauf an, dass der Urgroßvater des heutigen Konzernchefs den Webstuhl automatisierte.

Die Leitung dieses Firmenquartetts an einen Ausländer zu übertragen, unterstreicht die Bereitschaft des Gründerenkels, Toyota vom Autohersteller in einen Softwareriesen zu verwandeln. Immerhin hat der kinnbärtige US-Amerikaner eine persönliche Verbindung zu Japan: Um die Jahrtausendwende erforschte Kuffner an der Universität Tokio die Steuerung von humanoiden Robotern und heiratete eine Japanerin. Zuvor erfand er als Doktorand einen Algorithmus für die Bewegung von Robotern im offenen Raum. Später arbeitete der eloquente Forscher bei Google am selbstfahrenden Auto. Anfang des Jahres 2016 wechselte Kuffner dann zu Toyota, zunächst als Chief Technology Officer für das neue Toyota-Institut in Kalifornien, dann drei Jahre später als Leiter von TRI-AD. Als Chief Digital Officer sitzt er seit rund einem halben Jahr auch im Verwaltungsrat des Gesamtkonzerns, als einer von nur zwei Ausländern.

Unter dem Label Woven Planet soll einmal eine ganze Werkzeugkiste voller Software-Tools entstehen, die jeder lizensieren kann. „Wir haben eine Vision, die über Toyota hinausgeht“, betonte der Amerikaner. Genauso groß scheint auch Konzernchef Toyoda zu denken. Jedenfalls könnte dies erklären, warum er seinen einzigen Sohn Daisuke zum Vizepräsident von Woven Planet aufsteigen lässt.

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