Controllerin mit Lok-Führerschein rückt an die Bahn-Spitze
Neue Bahn-Chefin: Controllerin mit einem Lok-Führerschein
ahe Berlin
Von Andreas Heitker, Berlin
Bei gemeinsamen Auftritten des Deutsche Bahn-Vorstands stand Evelyn Palla bislang nur selten in der ersten Reihe. Der Fokus der Öffentlichkeit richtete sich eher auf Konzernchef Richard Lutz, auf den ehemaligen Finanzvorstand Levin Holle, der die Verluste erklären musste, auf Berthold Huber, der für die Problemzone Infrastruktur verantwortlich war, oder auch auf die extravagantere Sigrid Nikutta, die den kriselnden Güterverkehr in die Spur bekommen soll.

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Dies wird sich jetzt ändern, denn die gebürtige Südtirolerin Palla, die seit Juli 2022 den Regionalverkehr der Bahn verantwortet, soll Lutz an der Konzernspitze ablösen. Nach der Vorstellung der Personalie durch Bundesverkehrsminister Patrick Schnieder könnte der Aufsichtsrat des Konzerns der Berufung bereits am Dienstag zustimmen. Wie glatt dies geht, blieb am Montag noch offen: Die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) kündigte nämlich Widerstand an.
Turnaround bei DB Regio geschafft
Palla, die in dieser Woche 52 Jahre alt wird, wäre dann die erste Frau an der Spitze der Deutschen Bahn. Eigentlich kommt die verheiratete Mutter dreier Kinder aus dem Controlling. Dies war ein Schwerpunkt ihres Betriebswirtschaftsstudiums in Wien gewesen und dies war immer zumindest ein Arbeitsschwerpunkt auf ihren zahlreichen ersten Karrierestationen: bei Siemens in Großbritannien, bei Infineon in München, bei ihrem Japan-Einsatz für die Österreichische Handelskammer. 2003 wechselte Palla zu Eon. Hier baute sie unter anderem die Controllingsysteme der neuen Tochter „E wie einfach“ auf und leitete das Controlling der italienischen Konzerntochter.
In der Bahnbranche arbeitet Evelyn Palla seit ihrem Wechsel zu den Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) 2011. Dort übernahm sie ab 2015 als Vorstand der ÖBB Personenverkehr AG die Verantwortung für den Regionalverkehr und kontrollierte zugleich als Aufsichtsratsvorsitzende die Postbus-Tochter. 2019 folgte der Wechsel nach Deutschland – zunächst als Finanzchefin der DB Fernverkehr. Die Bahn hat Palla schnell gepackt: Berufsbegleitend an Abenden und Wochenenden machte sie sogar den Lokomotivführerschein, den sie seit einem Jahr besitzt. Das Thema Lokführerschein habe sie fasziniert, seit sie bei der Bahn arbeite, hatte sie ihren Schritt erklärt. „Ich wollte wissen, wie es sich anfühlt, im Führerstand zu sitzen.“
Erfahrungen aus zwei Bahnunternehmen
Die Bundesregierung hofft, dass Palla jetzt auch im Führerstand des Konzerns ihre erfolgreiche Arbeit im Regionalverkehr wiederholt. Unter ihrer Führung hat die zuständige Tochter DB Regio den Turnaround schon geschafft: Im ersten Halbjahr stand schon wieder ein operativer Gewinn (bereinigtes Ebit) von 103 Mill. Euro in den Büchern.
Auch von der politischen Opposition und den Bahn-Wettbewerbern kommt Zustimmung für die Personalentscheidung aus dem Verkehrsministerium. Matthias Gastel, Branchenexperte der Grünen, verwies darauf, dass Palla Führungserfahrungen aus zwei großen Bahnunternehmen mitbringe und damit über den „Blick von außen und von innen“ verfüge.
Auch Wettbewerber zufrieden
Die Branchenverbände Mofair und „Die Güterbahnen“ erklärten bereits am Sonntag, Palla kenne den Sanierungsbedarf und die Imageprobleme der DB. Sie wisse aus ihrer Tätigkeit bei der ÖBB auch, dass und wie eine konzernangehörige Infrastruktur ohne Beherrschungsvertrag und Gewinnanspruch funktionieren könne. Beide Verbände plädieren schon lange für eine Abtrennung der Infrastrukturtochter DB Infrago.
Eine Mammutaufgabe wartet auf Palla
In ihrem neuen Job wird die Bozen geborene Managerin viel Durchsetzungskraft benötigen – nach innen wie nach außen. Palla erhält von der Politik die Mammutaufgabe, die Schienensanierung effektiver voran zu bringen, zugleich die Pünktlichkeitswerte und Zufriedenheit der Kunden zu verbessern und dann noch konzerninterne Baustellen zu schließen – Stichwort DB Cargo.
Rompf soll InfraGo führen
Der Vorsitzende des Verkehrsausschusses im Bundestag, Tarek Al-Wazir, erwartet von der designierten neuen Vorstandsvorsitzenden daher auch keine Wunder. „In die Infrastruktur wurde 30 Jahre lange insgesamt zu wenig investiert", sagte der Grünen-Politiker in einer ersten Reaktion dem Informationsdienst Table Media. „Da können sie auch Batman oder Batgirl zur Bahnchefin machen, das wäre auch nur eine Fledermaus.“
Auch die Konzerntocher InfraGo, die künftig noch stärker vom Rest-Konzern entflochten werden soll, erhält einen neuen Chef. Schnieder schlug am Montag Dirk Rompf vor, der bereits von 2011 bis 2019 für die Deutsche Bahn gearbeitet hatte und seither als Berater tätig ist. Der 56-Jährige hatte unter anderem fünf Jahre lang die damalige DB Netz AG geführt, also eines der Vorläuferunternehmen der heutigen InfraGo. Die EVG sieht Rompf daher auch als Mitschuldigen für den heutigen Zustand des Schienennetzes.